Donnerstag, 22. November 2012

Schwarzer Engel

Regie: Brian de Palma

Die Chance der Wiedergutmachung

 Einige Monate bevor Brian de Palma mit "Carrie" ein echter Welterfolg gelingen sollte, drehte er mit "Schwarzer Engel" (Originaltitel: Obsessions) eine bemerkenswerte Variante zu Hitchcocks Meisterwerk "Vertigo".
Wie im Vorbild gibt es 3 Hauptfiguren: Den Täter, das Opfer und den Lockvogel.
Oder auch der Gierige, der Besessene und den Schauspieler.
De Palmas Werk ist allerdings in einigen wichtigen Facetten anders: Die ursprüngliche Motiviation des Schauspielers "Geld" ist anders gelagert als in Vertigo, denn dort ist "Rache" das Thema.
Der Besessene beobachtet nicht im hinterherfahrenden Auto, sondern es zieht ihn magisch in Kirchen.
Hitchcocks Inszenierung ist klassisch, de Palmas Film (ein ebenso böser Traum) auch wie ein Traum konzipiert.
1959...der zehnte Hochzeitstag des wohlhabenden Immobilienmaklers Michael Cortland (Cliff Robertson) und seiner schönen Frau Elizabeth (Genevieve Bujold) wird ausgiebig und feudal gefeiert. Doch kleine Beobachtungen, die nur der Zuschauer macht, verheissen nichts Gutes. Ein Kellner, der eine Pistole unter seinem Jacket versteckt. Eine Kameraeinstellung, die das Ehepaar küssend vor einer Treppe einfängt, als plötzlich die Tochter Amy auf der Treppe erscheint, weil sie einen bösen Traum hatte.
Doch es bleibt ruhig. Das Fest ist aus, man zieht sich ins Schlafgemach zurück. Aufgerüttelt von den Schreien der Tochter, geht Elizabeth in ihr Zimmer. Als Michael ihr nach einigen Minuten folgt, findet er nur eine Notiz am Bett hängend: Amy und Elizabeth wurden entführt, für ihre Freilassung wird von ihm eine halbe Million Dollar und keinerlei Polizei verlangt.
Cortland wendet sich aber an die Polizei und der Inspektor gibt ihm einen zwar vernünftig anhörenden, aber im Ergebnis folgenschweren Ratschlag: Kein Lösegeld zahlen. In der Annahme, dass so die Entführten am sichersten seien und nicht umgebracht werden. Mit einem Peilsender wird der Koffer mit Falschgeld ausgestattet. Aber es geht alles schief, was schief gehen kann.
Cortlands Familie stirbt bei der Befreiungsaktion.
15 Jahre später reist Cortland mit seinem treuen Geschäftspartner Robert Lasalle (John Lithgow) nach Florenz. Er besucht die Kirche, in dem vor 15 Jahren seine Trauung mit Elisabeth stattfand, und sieht plötzlich in einer jungen Italienerin, die dort arbeitet, fast ein Ebenbild seiner verstorbenen Frau....

Wie auch bei Hitchcock finden sich bei De Palma immer wiederkehrende bestimmte Themen: Betrug, Schuld und Läuterung, die Faszination des Morbiden und die Duplizität von Charakteren und und Wiederholung von Ereignissen.
Grossen Anteil an der druchgehend bedrückenden Atmosphäre, die den Film so beängstigend macht, haben dem aus Ungarn stammenden Kameramann Vilmos Zsigmond (MacCabe & Mrs. Miller, Deliverance, Close Encounters, Deer Hunter) und Hitchcocks Hauskomponist Bernard Hermannn, der auch den unvergesslichen Score zu "Vertigo" machte. Seine musikalische Untermalung zu "Obsessions" ist genauso gut und führte sogar zu einer Oscar-Nominierung.
Herrmann war bereits schwer krank und starb kurz nach Drehschluss. Er war aber von dem Skript, das Paul Schrader schrieb, so fasziniert, dass er trotz der schweren Krankheit begeistert dabei sein wollte und de Palma seine Mitarbeit zusicherte.
Stilistisch ein Meisterwerk, keine Frage. De Palma zieht bereits hier alle Register seines Könnens, mit diesem Film und dem nachfolgenden "Carrie" begründete er seinen Ruf als bemerkenswerter Filmemacher mit einer ganz eigenen, unverkennbaren Handschrift. Selbst wenn es dem Hitchcockschen Werk immer sehr ähnlich ist....



Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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