Sonntag, 31. Juli 2016

Häxan (Hexen)

























Regie: Benjamin Christensen

Hexen und Dämonen...

Auch wenn in den Kindertagen des Films der deutsche Horrorfilm (Das Cabinett des Dr. Caligari, Nosferatu, Der Golem) das Maß aller Dinge war, darf man dennoch den 1922 in Schweden gedrehten "Häxan" des dänischen Filmemachers Benjamin Christensen nicht vergessen.
Christensen versuchte mit seinem halbdokumentarischen Film anhand des mittelalterlichen Hexenglaubens eine Analogie zu modernen psychischen Krankheiten wie Kleptomanie oder Hysterie zu ziehen. Die Handlung ist in sieben wichtige Abschnitte oder Kapitel unterteilt, die teilweise abstrus, aber immer sehr phantasievoll inszeniert wurden. Der Filmemacher ließ es sich nicht nehmen den Teufel selbst zu spielen und verfasste auch das originelle Drehbuch. Ein Erfolg wurde der Film bei seinem Kinostart nicht, denn dafür war er zu sehr Skandal. Der Essay-Film galt als heftiger Angriff auf die katholische Kirche, man war ihm vor, dass er die Geschichte verfälschen würde. Dabei wollte Christensen doch eher ein historischen Phänomen in seinen psychologischen Auswirkungen darstellen und dies ist ihm m.E. mehr als gut gelungen. Unter Einsatz von ganz verschiedenen Stilmitteln gelang ihm ein nach wie vor faszinierendes Stummfilm Kleinod. Die einzelnen Kapitel bestehen aus Bilddokumenten, Höllendiagrammen (inklusive Lehrerzeigestock), Großaufnahmen von mittelalterlichen Folterinstrumenten, Modellen und eindringlichen Spielszenen. Thematisch reicht das Material von der Hexerei und Teufelsanbetung des alten Persiens, über das Mittelalter bis hin Anfang der 20er Jahre. Das Werk schwankt genial und auch heute noch sehr kraftvoll, teils als ernsthafte akademische Studie über uralte Ängste und Aberglauben, teils als wollüstiger Horrorfilm, hin und her. Dabei sind es vor allem Bilder mit einer suggestiven Kraft, die dem Film eine unheimliche Atmosphäre geben.
Im ersten Abschnitt präsentiert der Regisseur einen Bildervortrag über Hexerein und Dämonologie aus Persien, Ägypten bis ins europäische Mittelalter. Das zweite Kapitel spielt im Jahr 1488 und Maria, die Hexe (Maren Pedersen) braut einen Liebestrank - aus einer Fülle unappetitlicher Details wie Kadaver, Leichenteile, Schlangen, Kröten und Insekten. Eine alte Jungfer will mit dem Trank einen dicken Mönch (Oscar Stribold) zur Lust animieren. Eine schöne Frau liegt neben ihme Mann im Bett. Am Fenster erscheint der Teufel (Christensen), sie streckt lüstern die Arme nach ihm aus und er drückt sie an sich.
Kapitel drei führt den Zuschauer ins mittelalterliche Deutschland. Die junge Anna (Astrid Holm) glaubt, dass ihr erkrankter Mann Jesper wäre verhext. Während sich Annas Mutter (Elisabeth Christensen) und Annas Schwester (Karen Winther) um den Kranken kümmern, gibt Anna einer alten Bettlerin (Emmy Schönfeld) etwas zu Essen. Als sie in die Augen der armen Frau blickt, meint sie, dass sie den bösen Blick Satans entdeckt hat und sie denunziert die Frau bei der heiligen Inquisition. Die alte gesteht in Kapitel Vier aus Angst und Folter Kinder vom Teufel empfangen zu haben und an einem Hexensabatt teilgenommen zu haben. Sie beschuldigt aber auch ihre Anklägerin und deren Familie. So entsteht die schreckliche Kettenreaktion.  Kapitel Fünf zeigt einen beteiligten Mönch (Elith Pio), bei dem die Tochter des Kranken Gelüste geweckt hat, lässt sich zur Rettung seines Seelenheiles auspeitschen. Der Tochter des Kranken droht nach einem erzwungenen Geständnis der Scheiterhaufen.
Im sechsten Abschnitt des Films werden die damals üblichen Folterwerkzeuge vorgeführt, wie zum Beispiel Daumenschrauben, Streckbänke sowie Gürtel mit Stacheln an der Innenseite. Ausserdem ein Ausbruch von kollektiver Hysterie in einem Nonnenkloster. Der letzte Abschnitt stellt eine Verbindung zur Moderne her. Das 20. Jahrhundert und Kleptomanie, Schlafwandeln oder Hysterie...





 Leider  gibt es das nordische Stummfilm-Meisterwerk nur in Originalsprache mit englischen Untertiteln. Dabei gibt es viel zu Lesen, denn "Häxan" ist nicht der typische Stummfilm, der nur alle 2 bis 3 Minuten einen Zwischentitel präsentiert. Insgesamt begleitet den Film eine große Faszniation. Dies liegt m.E. darin, dass der Film den zwiespältigen Blick auf Wissenschaft und Aberglaube bis zuletzt beibehält. In Deutschland wurde der Film gleich nach seiner Premiere 1924 verboten. Der Regisseur wusste sicherlich um die Wirkung seiner surrealen Bilder. Etwa wenn ein Zug von Dämonen aller Art, manche menschlich, manche in Tiergestalt, die Szene betritt. Oder wenn der Zuschauer Zeuge wird einer Geburt von zwei ungeheuerlichen Dämonen.




Bewertung: 9,5  von 10 Punkten.

Samstag, 30. Juli 2016

Frankensteins Braut

























Regie: James Whale

Eine Gefährtin für das Monster...

Noch mehr als in seinem ersten "Frankenstein" Film aus dem Jahr 1931 präsentiert James Whale in der brillianten Fortsetzung "Frankensteins Braut" das Monster nicht nur mit Grauen, sondern auch mit der Aura tiefster Traurigkeit. Eine Kreatur, die weder zu den Lebenden noch zu den Toten gehört. Schon alleine wegen seinem grässlichen Aussehen mit diesen riesigen Narben, die von Metallklammern zusammengehalten werden und der abstoßenden und hervorstehenden riesigen Stirn. Ein schauerliches Geschöpf - geschaffen von dem jungen Arzt Baron Henry von Frankenstein (Colin Clive), der die Schöpfung Gottes herausfordert. Denn dieser hat mit elektrischer Energie einen Körper zum Leben erweckt, der aus gestohlenen Leichenteilen zusammengesetzt wurde. Leben erschaffen, so sein Ziel. Er hat es vollbracht. Aber sein Geschöpf, gespielt von Boris Karloff, ist ein verstoßener Aussenseiter mit dem Gehirn eines toten Mörders ausgestattet. Er ist aber auch eine einsame und tragische Gestalt, die den Zuschauer in ein Gefühlsbad zwischen Abscheu und Mitleid stürzt. Und dies wird in der Fortsetzung aus dem Jahr 1935 noch viel ersichtlicher. Der Film zeigt in der ersten Szene die "Frankenstein" Autorin Mary Shelley (Elsa Lanchester) mit Ehemann Percy Shelley (Douglas Walton) und dem mit beiden befreundeten Lord Byron (Gavin Gordon). Noch ist Marys Roman nicht veröffentlicht, weil er von vielen Verlegern abgelehnt wurde - doch sowohl Ehemann als auch Byron schwärmen von der Geschichte, in der ein Monster durch Menschenhand zum Leben erweckt wurde. Eine moralische und traurigie Geschichte, wie Mary meint und sie hat Vergnügen daran ihren beiden Zuhörern diese Geschichte weiterzuerzählen. Denn die Kreatur, die vom wütenden Mob in eine alte Mühle getrieben wurde, die dann in Brand gesteckt wurde,  kam nicht in den Flammen um. Doch die Menschen glauben es. Nur Hans (Reginald Barlow) der Vater der toten kleinen Maria, will mit eigenen Augen den Leichnam des Monsters sehen. Seine Frau (Mary Gordon) bittet ihn nicht in die abgebrannte Mühle zu gehen. Doch es kommt wie es kommen muss. Die Kreatur ist am Leben und töten das Ehepaar. Das vorlaute Hausmädchen Minnie (Una O´Connor) kommt noch mit einem Schrecken davon und rennt ins Dorf. Doch keiner glaubt der hysterischen Frau. Man ist froh, dass Henry Frankenstein lebt und so gibt es doch noch ein HappyEnd und eine Hochzeit mit der jungen Elisabeth (Valerie Hobson). Das Monster findet Zuflucht bei einem blinden Eremiten (O.P. Heggie), der Geige spielen kann und der Kreatur mit Güte begegnet, ihm Essen und Trinken und eine Schlafgelegenheit anbietet. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Doch inzwischen wird auch wieder Jagd auf das Monster gemacht. Und ein fieser Wissenschaftler namens Dr. Prätorius (Ernest Thesiger) will sich mit Frankenstein zusammentun, um das Projekt "Leben erschaffen" doch noch mit einem weiteren Versuch erfolgreich zu wiederholen. Frankenstein sagt zwar, dass er seine Lektion gelernt hat und man nicht Gott über Leben und Tod spielen soll, aber als der egozentrische Dr. Prätorius seine von ihm erschaffenen Miniaturlebewesen in Glasbehältern zeigt (König, Königin, Papst etc) leckt der Wissenschaftler erneut Blut. Beide schaffen nun für die Kreatur eine Lebensgefährtin (Elsa Lanchester)...


Und diese Braut ist bis zum heutigen Tag sicherlich eine der berühmtesten Gestalten und Ikonen des Horrorgenres. Wieder erschaffen mit viel elektrischer Energie und dem obligatorischen Gewitter mit Blitzen am Nachthimmel...sie erwacht mit ihrem mumifizierten Körper und zischt dabei wie ein Schwan. Für die Rolle ging Elsa Lanchester auf Stelzen, damit sie über 2 Meter groß wirkte. Auffallend die seltsam schwarzweiß gestreifte ägyptische Haarpracht. Die Wissenschaftler denken an eine Hochzeitszeremonie, doch die riesige Monsterfrau ist vom Äußeren der Kreatur ebenfalls abgestoßen. Die Geschichte hat sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt - dennoch erscheint vieles radikal und absurd. Und damals empfand das Kinopublikum den Film als subversiven Hexenkessel mit viel Ironie, Witz, Phantasie und Horror. Whale selbst wollte das Monster auch als Christus ähnlichen Unschuldigen zeigen. Daher löschte er fast alle Szenen, die Karloffs Monster als besonders aggressiv zeigte. Natürlich bemängelte die offizielle Zensur diese potentielll blashemische Wirkung.


 Bewertung: 10 von 10 Punkten. 

Sonntag, 10. Juli 2016

Böse Saat

























Regie: Mervyn LeRoy

Rhoda Penmark - früh übt sich wer Serienkiller werden will...


Mervyn Le Roys Horrorfilm "Böse Saat" aus dem Jahr 1956 war seiner Zeit weit voraus. Denn er präsentiert einem verstörten Publikum ein zauberhaftes Kind als grausamen Serienkiller. Erst in den 70er Jahren mit dem Riesenkinohit "Das Omen" konnten sich die kleinen Satansbraten als Monster im Genre langsam aber sicher etablieren. Heute sind sie im Horrorfilm kaum mehr wegzudenken. "Böse Saat" war möglicherweise auch eine gute Inspirationsquelle für Jaume Collet-Seras "Orphan", der in gewisser Weise ein etwas abgewandeltes Update zu diesem kuriosen 50er Jahre Klassiker darstellt. Nach "Böse Saat" kamen dann vor allem aus Großbritannien weitere böse Kinder in die Kinosäle, wie beispielsweise die blonden Intelligenzbestien in Wolf Rillas "Das Dorf der Verdammten" beweisen. Ebenfalls unvergessen die Geheimnisse, die Miles und Flora im "Schloß des Schreckens" mit sich herumtragen. Der Film basiert auf dem merkwürdigen Bühnenstück von Maxwell Anderson. Viele Schauspieler aus diesem Broadway Hit wurden auch für den Film engagiert, der seine Herkunft vom Theater nie leugnen kann. Die Geschichte wirft die Frage auf, ob ein mordendes Kind das Produkt seiner Unwelt ist oder aber ob es tatsächlich so etwas wie eine Vererbung des Bösen gibt. Diese böse Saat als Folge einer Veranlagung ?
Der Film beginnt mit der Vorstellung der zauberhaften achtjährigen Rhoda Penmark (Patty McCormack) - der Stolz und Sonnenschein ihrer Eltern. Vater Kenneth Pennmark (William Hopper) ist ein Armee-Offizier und muss für mehrere Wochen nach Washington. Seiner geliebten Frau Christine (Nancy Kelly) fällt der Abschied schwer. Aber sie hat ja Rhoda - das Mädchen mit blonden, langen Zopfen und einem schönen Trägerkleid. Die Kleine liebt Lackschuhe mit Eisenbeschlägen und spielt perfekt Klavier. Auch Nachbarin und Vermieterin Monica Breedlove (Evelyn Warden) ist von dem Kind, dass Geschenke über alles liebt, regelrecht entzückt. Weil sie den Schreibwettbewerb der Schule nicht gewinnen konnte, bekommt sie als von Tante Monica wieder einmal ein Geschenk. Rhoda bedankt sich mit einer gelungenen Steptanzeinlage. Dennoch sehnt sich das Kind nach der Medaille, die jetzt ihr Schulkamerad Claude Digle als Sieger des Wettbewerbs, besitzt. Bei einem Seepicknick am Fluß, den die Schulklasse organisiert, spricht Christine mit der Lehrerin Miss Fern (Joy Croydon) über Rhodas Leistungen in der Schule. An diesem Tag kommt es jedoch zu einem seltsamen und tragischen Unglück. Der kleine Claude ertrinkt im Fluß...



und dieses Unglück markiert im Film der Beginn einer immer misstrauischer werdenden Mutter. Hat ihr Kind etwas mit der Sache zu tun ? In einem Gespräch offenbart sie ihrer Nachbarin, dass sie als Kind immer das Gefühl hatte von ihren Eltern (der Vater lebt noch und wird von Paul Fix gespielt) adoptiert worden zu sein. Tatsächlich wird diese Wahrnehmung im Laufe der Handlung immer wahrscheinlicher. Und mit dieser neuen Erkenntnis gibts Nahrung für eine krude Vererbungs-These, die sich in diesem grandiosen Grand Guignol Schocker immer mehr verdichten. Dabei kommt der etwas unterbelichtete, einfältige aber dennoch bauernschlaue Angestellte Leroy Jessup (Henry Jones) dem Geheimnis der kleine Rhoda immer mehr auf die Spur. Auch die Eltern des verstorbenen kleinen Claude (Eileen Heckart, Frank Cady) tauchen im Laufe des dialoglastigen Thrillers bei der immer hysterischer agierenden Christine auf. Drei Darstellerinnen des Films brachte die gute Leistung eine Oscarnominierung ein: Nancy Kelly als beste Hauptdarstellerin, Eileen Brennan als trunksüchtige wie trauernde Mutter des kleinen Claude als beste Nebendarstellerin, die beinahe ebenso begeistert wie Kinderstar Patty McCormack, die eine perfekte Rhoda Penmark abgibt. Einerseits unterwürfig und enorm zärtlich zu ihrer Mutter - andererseits reuelos und tobend. Auf den Tod ihres Mitschülers reagiert sie kalt "warum sollte es mir leidtun ? Claude Daigle ist ertrunken, nicht ich" . Eine Serienkillerin und egoistisches Material Girl ist die Kleine jetzt schon. Wer sollte sie stoppen ? Makaber, aber immer faszinierend begeistert der Film heute noch sein Publikum. Damals bei seinem Kinostart war der Film mit einem Einspielergebnis von 4,1 Millionen Dollar ein riesiger Erfolg.



Bewertung. 9 von 10 Punkten.

Freaks



















Regie: Tod Browning

Der Kodex der missgestalteten Gauklertruppe...


Mit seinen Horrorfilmen "Dracula" und "Frankenstein"  landete das Universal Studio zu Beginn der 30er Jahre zwei phänomenale Erfolge. Irvin Thalberg, der Chef des Konkurrenten MGM, entschloß sich ebenfalls auf diese Erfolgsformel des Grauens zu setzen. So engagierte er den Dracula Regisseur Tod Browing einen Horrorfilm zu drehen, der alle bisherigen Produktionen in Sachen Furcht und Schrecken in den Schatten zu stellen. Doch die Geschichte von "Freaks" wurde zunächst keine Erfolgsstory. Zuerst sorgte die Zensurbehörde, dass der Film gekürzt werden musste, weil viele Szenen zu verstört für das zeitgenössische Publikum erschienen. "Freaks" war gewagt und bizarr und seiner Zeit um Jahre bis Jahrzehnte voraus. Nach einem Kinostart, der immer noch ein verstörtes, ratloses Publikum zurückließ, verschwand er erstmal in den Archiven und wurde erst viele Jahre später als frühes Meisterwerk wiederentdeckt und dann auch irgendwann sogar euphorisch gefeiert. "Freaks" ist Grand Guignol im Perfektion und stellt die Gesetze des konventionellen Hollywood Films gehörig auf den Kopf. Hier sind die Aussenseiter - die Freaks, diese missgestalteten Gaukler - die Guten, während die schöne Blondine und ihr athletischer Stecher alle bösen Eigenschaften in sich vereinen.
Der Film basiert auf der Kurzgeschichte "Spurs" von Clarence Robbins, die im Februar 1928 erschien. Entgegen üblichen Gepflogenheiten entschloss sich Browning den Film so authentisch wie möglich zu gestalten. Dies bedeutete, dass alle Darsteller echt waren und seine "Stars" fand er auf Rummelplätzen und Zirkuszelten der ganzen Welt. Die deutschen Geschwister Kurt und Hilda Emma Schneider, geboren im sächsischen Stolpe, wanderten mit zwei weiteren kleinwüchsigen Geschwistern bereits zwischen 1915 und 1920 nach Amerika aus und konnten als "Doll Family" eine Showkarriere aufbauen.
Bereits in den 20er Jahren bekamen die Geschwister, die sich nun Harry und Daisy Earles nannten, immer wieder kleinere Rollen in den Stummfilmen Hollywoods.
Auch die siamesischen Zwillinge (Daisy und Violet Hilton), die Stecknadel-Kopf Mädchen (Elvira und Jennie Lee Snow), der lebende Torso (Prince Randian), der Boy ohne Unterleib (Johnny Eck), der Zwitter (Josphine Joseph), der geistig behinderte Schlitzie (Schlitzie) oder die bärtige Frau (Olga Roderick) waren zu jener Zeit die grusligen Attraktionen von Jahrmärkten oder Circusvorstellungen.
Dort wurden sie zum Entsetzen einem neugierigen und schockierten Publikum präsentiert und auch vorgeführt und rein oberflächlich könnte man dem Film nun das gleiche Motiv unterstellen. Doch Regisseur Browning, der selbst mehrere Jahre mit solchen Freaks im Zirkus leben, verband diese Freakshow mit Tiefe und Toleranz. "Freaks" setzt trotz der verstörenden Aura der Geschichte auch ein Zeichen für das Verständnis der Andersartigkeit. Leider kam dieser Effekt in den 30er Jahren noch nicht zur Geltung. Denn es war eine Zeit, in der Behinderungen als moralisch bedenklich und sie machten durch ihr Anderssein Angst. Viele Zuschauer verließen verstörend den Kinosaal wegen diesen "Monstern". Dabei stattete der Regisseur seine missgebildeten Figuren mit viel Würde und Sympathie aus. Sie sind die Opfer der Geschichte und werden von den Normalos verlacht, verspottet, betrogen und sogar vergiftet.
"Freaks" beginnt mit einem Marktschreier, der einige neugierige Zuschauer anlockt. Als die entsetzte Menge die Jahrmarksattraktion zu Gesicht bekommt, gibt es entsetzte Schreie im Publikum. Eine missgestalte Frau ist zu sehen. Und der Markschreier erzählt der Menge ihre tragische Geschichte. Denn die Frau war einmal eine wunderschöne Trapezkünstlerin namens Cleopatra (Olga Baclanova). Die wird von Hans, dem Zwerg (Harry Earles) verehrt. Obwohl dieser bereits mit der Zwergin Frieda (Daisy Earles) verlobt ist. Ansonsten ist bei den Artisten und Künstlern immer was los. Venus (Leila Hyams) hatte eine Affäre mit dem groben und aggressiven Muskelprotz Hercules (Henry Victor) und wendet sich dem Clown Phroso (Wallace Ford) zu. Hercules macht daraufhin Cleopatra schöne Augen, die ein Verhältnis mit ihm beginnt. Das hält die hinterhältige Schöne aber nicht davon ab weiterhin mit dem naiven Hans zu flirten. Grund für diese Hinwendung: Hans ist spendabel und hat der großen Frau, die er begehrt, auch schon oft Geld ausgeliehen. Als Cleopatra auch noch zufällig erfährt, dass Hans eine riesige Erbschaft gemacht hat, fasst sie den Plan den von ihr verachteten Zwerg zu heiraten. Somit käme sie ans Vermögen, vor allem dann wenn der Gatte plötzlich überraschend sterben würde. Gift wird besorgt und während der Hochzeitsfeier dem Ahnungslosen ins Glas geschüttet. Auch Cleopatra trinkt zuviel und sie zeigt auch ihre wahres Gesicht, als sie die verstammelten Mißgestalteten aufs Übelste verhöhnt. Grund genug für die eingeschworene und solidarische Aussenseitergemeinschaft die Frau intensiver zu beobachten.  Die Rache wird fürchterlich sein...



Tod Browning gelang eine Mischung aus Zirkusposse, romantischer Komödie und Rachedrama. Sehr gut ist zu erkennen, dass durch das fiese durchtriebene Spiel der bösen Frau der arme Hans immer weiter gedemütigt, herabgesetzt und so amch "verkleinert" wird. Das komische Ungehagen - vor allem auch durch die Bosheiten der Normalen - wird alsbald durch vollständiges Grauen ersetzt. Dabei zeigt sich die Kraft und der große Zusammenhalt dieser eingeschworenen Gemeinschaft, die einen eigenen Kodex haben nach dem Motto "Alle für Einen, Einer für Alle" "Freaks" besitzt m.E. eine zutiefst humane Botschaft und ein grandioses Kuriosum in der Geschichte des Horrorfilms.




Bewertung: 10 von 10 Punkten.

Samstag, 2. Juli 2016

Unfriend

























Regie: Michael Verhoeven

Marinas Laptop, der ein Spiegel in die Hölle ist...

Während in den Kindertagen des Films, vor allem während der Weimarer Republik, der deutsche Horrorfilm auf der ganzen Welt mit Meisterwerken wie "Nosferatu", "Der Golem" oder "Das Cabinett des Dr. Caligari" Triumphe feiern konnte, hat er nach dem Beginn des Tonfilms bis heute immer mehr an Bedeutung verloren und nur sehr selten gelingt einer deutschen Horrorgenre Produktion ein respektabler Erfolg. Zuletzt etwa mit "Wir sind die Nacht" von Dennis Gansel, der eine Art modernes Update zu dem belgischen Kultfilm von Harry Kümel kreierte oder Stefan Ruzokwitzkys "Anatomie. Immerhin traute man sich in den letzten Jahren wieder etwas mehr in dieser Richtung zu machen. Sehr beeindruckend war beispielsweise "Masks" von Andreas Marshall und auch die Filme "Zimmer 205" von Rainer Matsutani, "Das Kind" von Zoltan Bacs oder "Du hast es versprochen" von Alex Schmidt konnten sich sehen lassen. Auch Simon Verhoevens, der Sohn von Senta Berger und des Regisseurs Michael Verhoeven, und Regisseur von "Männerherzen" zeigt nun mit "Unfriend" (Originaltitel" Friendly Request" sein Faible für das Gruselfach. Inhaltlich ist sein Film mit dem umstrittenen "Unknown User" von Levan Gabriadze verwandt. Aber Verhoeven vermeidet den Fehler den gesamten Film auf den Desktop eines Laptops abspielen zu lassen. Daher ist Verhoevens erster Abstecher ins Horrorfilm auch besser gelungen. Vor allem die erste Hälfte ist extrem gut geworden. Man kann sich aber vielleicht darum streiten, ob es gut war den Film dann ab einem gewissen Punkt in Richtung konventioneller Geisterfilm abdriften zu lassen - vor allem mit vielleicht zu vielen "Final Destination" und "Ringu" Versatzstücken. Wer sich daran nicht stört, der wird bei "Unfriend" sicherlich gut unterhalten. Verhoeven schreibt die Drehbücher meistens mit - diesmal in Gemeinschaftsproduktion mit Matthew Ballen und Philip Koch.
Die Studentin Laura Woodson (Alicia Debnam Carey) ist eine sehr beliebte Schülerin. Die Psychologiestudentin steckt voller Lebensfreude und ist auch auf den sozialen Medien sehr aktiv. Auf Facebook hat sie fast 1.000 Freunde. Privat hat sie sich von Kobe (Connor Paolo) getrennt und ist nun mit dem Medizinstudenten Tyler (William Moseley) liiert. Ihre beste Freundin ist Olivia (Brit Morgan), die ebenfalls Psychologie studiert. Ebenfalls wichtig in Lauras Leben sind Isabel (Brooke Markham) und Gustavo (Sean Marquette). Auch mit ihrer Mom (Julie Summers) versteht sie sich prächtig. Der Film beginnt damit, dass während der Vorlesung bekanntgegeben wird, dass die Mitschülerin Marina Mills (Liesl Ahlers) Selbstmord begangen haben soll. Sie hat ihren eigenen Suizid (Erhängen und Verbrennen) per Video aufgenommen und ihn auf Facebook gestellt. Der Lehrer rät den Studenten dringend diesen Clip nicht anzuschauen, man habe ihn auch schon vom Netz entfernt. Wie versteinert hat Laura diese Nachricht aufgenommen, denn sie war es, die erst vor wenigen Tagen Kontakt mit der stillen Marina aufgenommen hat, die auf Facebook keinen einzigen Freund verzeichnen konnte. Doch das introvertierte Mädchen ist sonderbar, sie hat auf ihrer Seite lauter verstörende Horror-Elemente, teilweise selbst gemacht und selbst verfilmt. Lauras Freunde raten, dass der Kontakt sofort abgebrochen werden soll, sie halten Marina für psychisch schwer krank. Zuerst scheut Laura diesen Schritt, denn immerhin hat sie Marina auf ihre Geburtstagsparty eingeladen. Und jetzt wieder ausladen ? Doch sie tut es. Mit ungeahnten Folgen. Marina sieht im Netz die Bilder der ausgelassenen Geburtstagsparty und macht Laura am anderen Tag auf dem Campus eine riesige Szene. Daraufhin löscht Laura Freundschaft auch auf Facebook und damit bricht für die einsame Aussenseiterin eine Welt zusammen....



Verhoeven zeigt nun wieder die Anfangsszene im Vorlesesaal und nun geht die Geschichte in Runde Zwei, die leider nicht ganz so überzeugend bleibt wie der fulminante und verstörende Anfang. Leider gibts mal wieder an Schreck-Sequenzen zu viele und die Innovation verringert sich durch die vielen bekannten Verweise auf andere Horrorfilme. Immerhin sind die Darsteller aber gut gewählt. Und Verhoeven wertet den Film auch immer mal wieder mit guten visuell faszinierenden Szenen auf. Man bedauert vielleicht, dass der Regisseur nicht den Mut hatte einen eigenen Weg nach der gelungenen Rückblende zu wählen und etwas zu sicher auf konventionelle Spukeffekte setzte, statt weiter verstörende Widerhaken zu setzen. Dennoch ist "Unfriend" ein lobenswerter Beitrag im zu stark unterrepräsentierten deutschen Horrorfilm.




 Bewertung: 6 von 10 Punkten.