Montag, 26. November 2012
Sennentuntschi
Regie: Michael Steiner
Unheilvoller Aberglaube..
Das Sennentuntschi ist ein im ganzen deutschsprachigen Alpenraum verbreitetes Sagenmotiv. Ihre Verbreitung reicht von den Berner Alpen über Uri, Graubünden, das St. Galler Oberland bis nach Liechtenstein, Vorarlberg, Tirol und Kärnten.
Es gibt zwar verschiedene Versionen dieser Sage, aber Grundlage ist die, dass die einsamen Sennen und Hirten auf den hochgelegenen Alpen sich aus Langeweile und Einsamkeit eine weibliche Puppe schaffen. Sie füttern sie aus Spaß, sprechen mit ihr und nehmen sie zu sich ins Bett. Kurz vor der Alpabfahrt wird diese Puppe aber lebendig. Sie rächt sich für die Übeltaten und die gottlose Tat, die die Sennen an ihr vollbracht hatten. In der Sage zwingt sie einen der Sennen bei ihr zu bleiben und zieht diesem die Haut vom Leib.
Der Schweizer Dramatiker und Schriftsteller Hansjörg Schneider verfasste aus diesem Motiv 1972 ein gleichnamiges, erotisches Dialektschauspiel. In seinem Stück fügen die Sennen aus einer Weinflasche, Mistgabeln, Stroh und Käse das "Sennentuntschi" zusammen und befriedigen mit dieser Puppe ihren sexuellen Notstand. Die TV-Ausstrahlung wurde zum Skandal, einerseits wegen der sexuellen Komponente, anderseits aber auch wegen einer Art Gotteslästerung, weil die Puppe vom Autor "berseelt" wurde.
Michael Steiner, der gerne auch der Steven Spielberg der Schweiz genannt wird, wagte sich 2010 an diesen Stoff und inszenierte einen interessanten Horrorfilm zur dieser Alpensaga.
Der Film spielt in zwei Zeitebenen. Im Heute und Hier findet ein kleines Mädchen bei einem Alpenspaziergang mit ihrer Mutter menschliche Knochen. Ein junger Mann hat ihr diese Stelle gezeigt, als die Mutter ihr Kind für kurze Zeit alleine liess.
Die Untersuchungen ergeben, dass diese Knochen über 30 Jahre alt sein müssen. Dem Kind werden Bilder von Vermissten gezeigt, sie deutet auf das Bild von Albert (Joel Basman). Die Beamten sind zuerst erstaunt, dann verwerfen sie die Aussage des Kindes, denn sie kann umöglich diesen Albert gesehen haben, denn der ist schon seit 1975 vermisst und müsste inzwischen über 50 Jahre alt sein.
1975 in den Bündner Alpen: Im Dorf geschehen unheimliche Dinge, der Messmer hat sich in der Kirche erhängt und auf der Beerdigung taucht überraschend eine junge Frau (Roxane Mesquida) auf, die keiner kennt und die wohl von der Höhenalp kommen muss. Dort wo die Sennen Erwin (Andrea Zogg), Martin (Carlos Leal) und Albert leben.
Die verschlossene Dorfgemeinschaft ist der Frau feindlich gesinnt, man will sie nicht in der Dorfgemeinschaft dulden. Auch Pfarrer Salis (Ueli Jäggi) wettert von der Kanzel und spricht davon, dass die Frau des Satans sei und immer wieder in früheren Zeiten auftauchte und stets Unglück über die Menschen brachte.
Lediglich der Dorfpolizist Sebastian Reusch (Nicholas Ofczarek9 Kümmert sich rührend um die geheimnisvolle schöne Frau.
Er macht sich auf den Weg auf die Höhenalp, findet aber die Sennerhütte leer. Als zweiter Handlungstrang zu den Ermittlungen von Reusch folgt der Zuschauer einer Rückblende, was sich dort oben auf der Alp kurz bevor die Frau ins Dorf kam, zugetragen hat...
Michael Steiners "Sennentuntschi" ist ein interessanter schweizer Genrebeitrag, der sehr gut unterhält und den Zuschauer bis zuletzt im Unklaren lässt, was es mit der Frau auf sich hat.
Dabei sind immer zwei mögliche Wege sichtbar: Zum einen die völlig realistischen Aufklärungsversuche durch den Polizisten, der nicht an Sagen glaubt, andererseits gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass nicht alles erklärbar ist mit dem Verstand.
Vielleicht ist die Gewalt- bzw. Gefühlseskalation etwas zu dick aufgetragen, aber die Positivseite überwiegt doch: Ein gutes Darstellerensemble, aber auch der Mut der Macher mal aus den eigenen Sagengeschichten eine akzeptable Genrearbeit zu schaffen darf nicht unerwähnt bleiben.
Steiner zeigt eine Tragödie aus Lust, Wahnsinn und Mord, die sich über eine scheinbar heile Welt ausbreitet. Dabei kommt Heuchelei, Missbrauch und Dämonenglauben immer mehr ans Tageslicht.
Bewertung: 7 von 10 Punkten.
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