Mittwoch, 24. Juli 2019

Devils Knot

























Regie: Atom Egoyan

Gott und Teufel in Arkansas...

Mit dem unvergessenen "Das süße Jenseits" gelang dem armenisch-kanadischen Filmregisseur 1997 der internationale Durchbruch. Nachfolgefilm war "Felicia, mein Engel", ein Film über die Beziehung einer jungen Frau zu einem möglichen Serienkiller, der von Bob Hoskins gespielt wurde. Erfolgreich war der Film nicht - er läutete sogar eine Durststrecke für den Filmemacher ein, die er erst 2008 mit "Simons Geheimnis" wieder etwas verbessern konnte. Danach drehte er mit "Chloe" wieder im Thrillergenre, wie auch seine beiden letzten Arbeiten "Devil´s Knot" und "The Captive", die im Grund die Thematik von "Felicia, mein Engel" wieder aufnehmen. Nämlich das Beleuchten einer bösen dunklen Seite der menschlichen Psyche. Während aber in "Felicia, mein Engel" das Böse in der Gestalt eines unscheinbaren Bürgers gezeigt wird, ist diese destruktive Kraft in den beiden neuen Filmen gar nicht fassbar. Atom Egoyan zeigt die Menschen und die Hinterbliebenenen, die Opfer eines Verbrechens wurden. "The Captive" erzählt von einer Familie, deren kleine Tochter enführt wurde und daran langsam die Ehe zugrunde geht. Dabei lebt die Entführte weiter und ihr Mißbraucher wird zur Bezugsperson. Ein harter Stoff, dem leider kein Erfolg bei der Kritik beschieden war, weil Egoyan mehr an der Psychologie seine Figuren interessiert war als an den Konventionen, die vom Publikum bei einem Thriller erwartet werden. Leider muss man sagen gilt dies auch für "The Devil´s Knot", der mich sogar noch mehr begeisterte - aber die Mehrheit der Kritiker und Zuschauer empfanden den Film konfus, ohne Thrill und wenig spannend. 
So bleibt "Devils Knot" vorerst wohl ein unverstandenes Meisterwerk, von dem ich hoffe, dass der Film in einigen Jahren wiederentdeckt wird, denn hier ist dem Wahlkanadier sein bestes Werk seit "Das süße Jenseits" geglückt. Im Grunde gibts sogar Ähnlichkeiten. Denn in beiden Fällen handelt die Geschichte auch von einer Stadt oder Gemeinde, die eine Katastrophe erlebt und dies erst einmal verkraften muß. Egoyan geht dabei sowohl dokumentarisch als auch narrativ vor, was natürlich auch irritiernd empfunden werden könnte. Dabei sind genau in dieser Mischform auch schon geniale Klassiker der Filmgeschichte entstanden, ich erinnere mich da spontan an Otto Premingers "Anatomie eines Mordes" aus dem Jahr 1959. Mögicherweise empfindet man das erstmal als sehr spröde, aber wenn man sich auf die Machart einlässt, dann wird man auch die hervorragende Machart des Films erkennen.
Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich 1993 in der kleinen, christlich fundamentalistisch geprägten Gemeinde West Memphis in Arkansas abgespielt hat.
Eines Abends kommen der achtjährige Stevie Branch und seine Freunde Michael Moore und Christopher Byers nicht vom Spielen zurück. Da die Behörden zunächst keine große Suchaktion starten, durchkämmen Stevies Mutter Pam (Reese Witherspoon) und ihr Ehemann Terry (Alssandro Nivola), der Stiefvater des Jungen, gemeinsam mit anderen Eltern die Nachbarschaft. Ohne Erfolg. Erst ein umfassender Polizeieinsatz in den Wäldern nahe der Gemeinde bringt Licht ins Dunkel: In einem kleinen Bach werden die übel zugerichteten Leichen der Kinder gefunden. Die Grausamkeit der Tat verlangte schnelle Aufklärung und schon bald hat die hiesige Polizei drei verdächtige Teenager ausgemacht. Der Anführer Damien Echols (James Hamrick), dem man eine Verbindung zu einem Satanskult nachsagt und dessen Handlanger Jason Baldwin (Lee Meriwether) und Jessie Misskelley (Kristopher Higgins). Ihnen wird sehr schnell vorgeworfen die Kinder während eines satanistischen Rituals misshandelt und daraufhin erschlagen zu haben. Nach stundenlangen Verhör gesteht auch der geistig zurückgebliebene Misskelley den ihm vorgeworfenen Tatvorgang. Anderen Spuren wird nicht mehr nachgegangen. So gab es Zeugen, die einen blutenden dunkelhäutigen Mann in einer Kneipe sahen, ganz in der Nähe des Tatorts. Auch der junge Chris Morgan (Dan DeHaan) verhält sich bei der Vernehmung äusserst merkwürdig, als die Sprache auf sexuellen Mißbrauch kommt. Ja selbst ein Vater eines der toten Jungen wirkt äusserst suspekt. Doch für die Gemeinde sind die Schuldigen bereits gefunden. Es artet zum Kampf zwischen Gott und Teufel aus und es ist nur allzu logisch, dass der Satan den Prozess verlieren muss. Immerhin steht den Pflichtverteidigern der Teenager mit Ron Lax (Colin Firth) ein versierter und engagierter Ermittler zur Seite, der bald davon überzeugt ist, dass die Falschen auf der Anklagebank sitzen....



 Diese ganze Geschchte hat Atom Egoyan bis zum Schluß enorm spannend inszeniert und ich kann daher die mauen Kritiken für diesen düsteren Thriller nun gar nicht nachvollziehen. Hier befinden wir uns in der gleichen Qualitätskategorie wie "Prisoners" von Denis Villeneuve und dessen hervorragende Machart steht ja ausser Frage.
Zum Glück wurde das ausgesprochene Todesurteil nie vollzogen, denn erstmals im Jahr 1996 lenkte der mit dem Emmy ausgezeichnete HBO-Dokufilm "Paradise Lost" The Child Murders at Robin Hood Hills" die Aufmerksamkeit auf das krasse Schicksal der verurteilten "West Memphis Three". In den folgenden elf Jahren konnten Beweise gesichert werden, die auf einen anderen Täter hinweisen, der dann im Abspann des Films auch genannt wird. Dennoch bleibt der Fall bis heute irgendwie unaufgeklärt und Egoyan gelang es auch ein düsteres Bild des amerikanischen Rechtssystem zu zeigen, ebenso wie der Fanatismus bibeltreuer Christen. Mag ja sein, dass da einiges an Unbehagen aufkommt, ein bequemer Film ist "Devil´s Knot" nun sicherlich nicht.  Da ist man geschockt über die grob fahrlässige Ermittlungsarbeit der Polizei, über die sichtbare Befangenheit des Richters und nicht zuletzt über den christlichen Mob, der sich draussen vor dem Gericht zur Hexenjagd postiert hat und die Todesstrafe für die Jünger Satans fordert.



Bewertung: 9 von 10 Punkten.

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