Regie: Atom Egoyan
Gott und Teufel in Arkansas...
Mit dem unvergessenen "Das süße Jenseits" gelang dem
armenisch-kanadischen Filmregisseur 1997 der internationale Durchbruch.
Nachfolgefilm war "Felicia, mein Engel", ein Film über die Beziehung
einer jungen Frau zu einem möglichen Serienkiller, der von Bob Hoskins
gespielt wurde. Erfolgreich war der Film nicht - er läutete sogar eine
Durststrecke für den Filmemacher ein, die er erst 2008 mit "Simons
Geheimnis" wieder etwas verbessern konnte. Danach drehte er mit "Chloe"
wieder im Thrillergenre, wie auch seine beiden letzten Arbeiten "Devil´s
Knot" und "The Captive", die im Grund die Thematik von "Felicia, mein
Engel" wieder aufnehmen. Nämlich das Beleuchten einer bösen dunklen
Seite der menschlichen Psyche. Während aber in "Felicia, mein Engel" das
Böse in der Gestalt eines unscheinbaren Bürgers gezeigt wird, ist diese
destruktive Kraft in den beiden neuen Filmen gar nicht fassbar. Atom
Egoyan zeigt die Menschen und die Hinterbliebenenen, die Opfer eines
Verbrechens wurden. "The Captive" erzählt von einer Familie, deren
kleine Tochter enführt wurde und daran langsam die Ehe zugrunde geht.
Dabei lebt die Entführte weiter und ihr Mißbraucher wird zur
Bezugsperson. Ein harter Stoff, dem leider kein Erfolg bei der Kritik
beschieden war, weil Egoyan mehr an der Psychologie seine Figuren
interessiert war als an den Konventionen, die vom Publikum bei einem
Thriller erwartet werden. Leider muss man sagen gilt dies auch für "The
Devil´s Knot", der mich sogar noch mehr begeisterte - aber die Mehrheit
der Kritiker und Zuschauer empfanden den Film konfus, ohne Thrill und
wenig spannend.
So bleibt "Devils Knot" vorerst wohl ein
unverstandenes Meisterwerk, von dem ich hoffe, dass der Film in einigen
Jahren wiederentdeckt wird, denn hier ist dem Wahlkanadier sein bestes
Werk seit "Das süße Jenseits" geglückt. Im Grunde gibts sogar
Ähnlichkeiten. Denn in beiden Fällen handelt die Geschichte auch von
einer Stadt oder Gemeinde, die eine Katastrophe erlebt und dies erst
einmal verkraften muß. Egoyan geht dabei sowohl dokumentarisch als auch
narrativ vor, was natürlich auch irritiernd empfunden werden könnte.
Dabei sind genau in dieser Mischform auch schon geniale Klassiker der
Filmgeschichte entstanden, ich erinnere mich da spontan an Otto
Premingers "Anatomie eines Mordes" aus dem Jahr 1959. Mögicherweise
empfindet man das erstmal als sehr spröde, aber wenn man sich auf die
Machart einlässt, dann wird man auch die hervorragende Machart des Films
erkennen.
Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die
sich 1993 in der kleinen, christlich fundamentalistisch geprägten
Gemeinde West Memphis in Arkansas abgespielt hat.
Eines Abends
kommen der achtjährige Stevie Branch und seine Freunde Michael Moore
und Christopher Byers nicht vom Spielen zurück. Da die Behörden zunächst
keine große Suchaktion starten, durchkämmen Stevies Mutter Pam (Reese
Witherspoon) und ihr Ehemann Terry (Alssandro Nivola), der Stiefvater
des Jungen, gemeinsam mit anderen Eltern die Nachbarschaft. Ohne Erfolg.
Erst ein umfassender Polizeieinsatz in den Wäldern nahe der Gemeinde
bringt Licht ins Dunkel: In einem kleinen Bach werden die übel
zugerichteten Leichen der Kinder gefunden. Die Grausamkeit der Tat
verlangte schnelle Aufklärung und schon bald hat die hiesige Polizei
drei verdächtige Teenager ausgemacht. Der Anführer Damien Echols (James
Hamrick), dem man eine Verbindung zu einem Satanskult nachsagt und
dessen Handlanger Jason Baldwin (Lee Meriwether) und Jessie Misskelley
(Kristopher Higgins). Ihnen wird sehr schnell vorgeworfen die Kinder
während eines satanistischen Rituals misshandelt und daraufhin
erschlagen zu haben. Nach stundenlangen Verhör gesteht auch der geistig
zurückgebliebene Misskelley den ihm vorgeworfenen Tatvorgang. Anderen
Spuren wird nicht mehr nachgegangen. So gab es Zeugen, die einen
blutenden dunkelhäutigen Mann in einer Kneipe sahen, ganz in der Nähe
des Tatorts. Auch der junge Chris Morgan (Dan DeHaan) verhält sich bei
der Vernehmung äusserst merkwürdig, als die Sprache auf sexuellen
Mißbrauch kommt. Ja selbst ein Vater eines der toten Jungen wirkt
äusserst suspekt. Doch für die Gemeinde sind die Schuldigen bereits
gefunden. Es artet zum Kampf zwischen Gott und Teufel aus und es ist nur
allzu logisch, dass der Satan den Prozess verlieren muss. Immerhin
steht den Pflichtverteidigern der Teenager mit Ron Lax (Colin Firth) ein
versierter und engagierter Ermittler zur Seite, der bald davon
überzeugt ist, dass die Falschen auf der Anklagebank sitzen....
Diese
ganze Geschchte hat Atom Egoyan bis zum Schluß enorm spannend
inszeniert und ich kann daher die mauen Kritiken für diesen düsteren
Thriller nun gar nicht nachvollziehen. Hier befinden wir uns in der
gleichen Qualitätskategorie wie "Prisoners" von Denis Villeneuve und
dessen hervorragende Machart steht ja ausser Frage.
Zum Glück
wurde das ausgesprochene Todesurteil nie vollzogen, denn erstmals im
Jahr 1996 lenkte der mit dem Emmy ausgezeichnete HBO-Dokufilm "Paradise
Lost" The Child Murders at Robin Hood Hills" die Aufmerksamkeit auf das
krasse Schicksal der verurteilten "West Memphis Three". In den folgenden
elf Jahren konnten Beweise gesichert werden, die auf einen anderen
Täter hinweisen, der dann im Abspann des Films auch genannt wird.
Dennoch bleibt der Fall bis heute irgendwie unaufgeklärt und Egoyan
gelang es auch ein düsteres Bild des amerikanischen Rechtssystem zu
zeigen, ebenso wie der Fanatismus bibeltreuer Christen. Mag ja sein,
dass da einiges an Unbehagen aufkommt, ein bequemer Film ist "Devil´s
Knot" nun sicherlich nicht. Da ist man geschockt über die grob
fahrlässige Ermittlungsarbeit der Polizei, über die sichtbare
Befangenheit des Richters und nicht zuletzt über den christlichen Mob,
der sich draussen vor dem Gericht zur Hexenjagd postiert hat und die
Todesstrafe für die Jünger Satans fordert.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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