Regie: Veronika Franz/Severin Fiala
Die fremde Mutter....
Österreich macht zwar wenige
Horrorfilme. Aber viele dieser wenigen Filme sind sehr gut. So auch der
Alpen-Slasher "In drei Tagen bist du tot" von Andreas Prochaska, der so
erfolgreich war, dass er eine Fortsetzung bekam. Auch Jessica Hausners
geheimnisvolles "Hotel" aus dem Jahr 2004 hat sehr beeindruckt. Mit
dieser sehr subtilen Machart lässt sich auch "Ich seh Ich seh" von
Veronika Franz und Severin Fiala vergleichen. Produziert wurde der eigenwillige
Psychoschocker von Ulrich Seidl (Regisseur von "Import/Esport" oder
"Hundstage").
"ich seh ich
seh" setzt vor allem auf eine cichte Atmosphäre und auf seine
bedrückende und meditative Machart. So sieht der Zuschauer auch zuerst
eine Zeitlang nur idyllische Bilder. Die Zwilligen Elias (Elias Schwarz)
und Lukas (Lukas Schwarz) spielen im Garten vor einem abgelegenen,
idylischen Haus am Waldrand. Sie genießen das schöne Sommerwetter und
ihre Freiheit. Gemeinsam durchstreifen sie den ganzen Wald, baden in
einem See und laufen durchs meterhohe Maisfeld. Als sie vor dem Haus
eine kleine Höhle betreten werden diese schönen Bilder von einer
bedrohlich wirkenden Musik begleitet. Der Zuschauer spürt, dass da etwas
gefährliches in dieser Idylle lauert. Aber was ist es ? Jedenfalls wird
die Mutter (Susanne Wuest) als dritte Person dazukommen. Sie muss im
Krankenhaus gewesen sein. Die Jungs können die Ankunft der geliebten
Mama kaum erwarten. Als der Krankenwagen vor dem Haus hält, steigt eine
Frau mit einbandagiertem Gesicht aus. Die ehemalige Fernsehmoderatorin
verbirgt nach einem Unfall ihr Gesicht unter dicken Binden. Die
Zwillinge erkennen ihre Mutter nicht wieder. Diese strenge Frau, die da
im Haus die Kontrolle übernimmt, kann doch unmöglich die liebe Mutter
sein. Oder doch ? Zumindest verhält sich die Frau seltsam. Sie versucht
jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken. Die Jungen empfinden die
Veränderung verstörend. Zumal die Mutter lieblos, gemein und auch
bösartig agiert. Mit einem der Zwillinge spricht sie gar nicht, sie
ignoriert ihn immer mehr. Und der Verdacht der beiden Buben erhärtet
sich: Diese fremde Frau ist nicht unsere Mama...
Ein
Film über die Abgründe einer Familie. Dieses Spielfilmdebüt ist sehr
beeindruckend und gefällt durch die durchweg glaubwürdige Machart und
der Film kann bis zum Schluß seine eigenartige wie faszinierende
Atmosphäre beibehalten, ja teilweise sogar noch steigern. Dabei
verzichten die Macher Fiala und Franz auf die üblichen Vergröberungen
und Übersteigerungen. Der Horror ist ständiger Begleiter, die Effekte
werden aber nie über Gebühr ausgespielt, sondern sie ergeben sich aus
der ständig bedrückenden Stimmung zwischen Mutter und Kindern. Ein
bisschen Manipulation darf auch sein. So lockt eine Szene im Wald, die
die Mutter zeigt, den Zuschauer auf eine bestimmte Fährte. Aber man darf
halt auch nicht allen Bildern trauen. Oder doch ? In der zweiten Hälfte
wird der Übergang eingeleitet. Der Psychohorror entlädt sich in einer
immensen Gewaltspirale. "Ich seh Ich seh" ist sicherlich kein Film für
Jedermann, denn er verlangt vom Kinogänger einiges ab. Ein brutaler
Film, der alles kühl und explizit zeigt, vom Körper herauskriechende
Kakerlaken oder Sekundenkleber, mit dem der Mund zugeklebt wird. Er
folgt der Logik eines Alptraums und bietet exzellentes, aber sehr
verstörendes Kino.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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