Regie: Jim Jarmush
Die Kinder der Nacht sind müde...
Gibt es einen Vampirfilm neueren Datums, der noch blutleerer
daherkommt als "Twilight - Bis zum Morgengrauen" und seine diversen
Fortsetzungen ? Schauen sie sich Jim Jarmushs "Only lovers left alive"
an, denn hier gehts bei den Blutsaugern nur noch lethargisch zu und sie
sind inzwischen so depressiv geworden, dass sie aussterben könnten.
Was
waren da noch für Zeiten als Vampire richtig Lust auf Blut hatten - und
zwar nicht wie Edward Cullen und seine Familie, die als "kalte Wesen"
zu Vegetariern geworden sind, somit Tierblut tranken und ihre
Mitmenschen in Ruhe lassen. Bela Lugosi oder Christopher Lee - waren
beide keine Kostverächter und sie lechtzen förmlich nach dem roten
Lebenssaft, der am besten schmeckte, wenn man das Opfer in den Hals biß
und es ausbluten ließ. In Jarmushs Film gibts in kleinen Schnapsgläschen
ein Schlückchen vielleicht, gelegentlich auch mal ein "Blut" am Stiel.
Man gönnt sich ja sonst nichts.
Der Vampirfilm ist in eine
Phase gekommen, so ähnlich wie sie auch der Western durchgemacht
hat...vom Heldenspektakel Gut und Böse und dem Kampf mit den
Indianerfeinden...wurde es brutaler und dreckiger (Italo Western) aber
auch differenzierter und melancholischer (Spätwestern) als eine Art
Abgesang. Diese Tendenz ist nun auch im Vampirstreifen zum Hauptpart
geworden, man hat es vielleicht in der Anne Rice Verfilmung "Interview
mit einem Vampir" erahnen können, da dort mit Brad Pitt ein
unglücklicher Vampir auftauchte, der mit seinem Dasein überhaupt nicht
klarkommt.
Und von einer dieser unglücklichen Existenzen
erzählt auch der optisch aus einem Guß gemachte "Only lovers left
alive". Denn Adam (John Hiddleston) ist dem Vampirdasein überdrüssig -
er lebt es ja ohnehin nicht mehr aus, sondern besorgt seine Blutampullen
im Krankenhaus. Ein Glück, dass es geldgierige Ärzte wie Dr. Watson
(Jeffrey Wright) gibt, bei dem Adam seine Rationen abholt. Geld hat der
passive Vampir genug - er ist auch verheiratet. Seine Frau Eve (Tilda
Swinton) lebt aber in Tanger, ihn hat es nach Detroit verschlagen -dort
vollzieht sich ja auch ein Sterben dieser Stadt und mit dem Auto fährt
er nachts durch die bankrotte Motor City, durch eine inzwischen
menschenleere Metropole, die in diesen Autofahrten fast schon wie eine
Geisterstadt anmutet. Darüberhinaus gibts hier in der Stadt eine große
Musikszene, vor allem der psychedelische Sound ist gefragt und
Schöngeist Adam ist auch ein toller Gitarrist, ein begnadeter Musiker -
seit Jahrhunderten - und seinen Kumpel Ian (Anton Yelchin), der ihm eine
Knarre besorgen soll, kennt er aus der dortigen Undergrundszene. Bei
einem Telefonat bemerkt Eve die selbstzerstörerischen Absichten ihres
Mannes und sie reist zu ihm. Ausserdem taucht auch noch Ava (Mia
Wasikowska) auf, die jüngere Schwester von Eve und die bringt doch
reichlich Wirbel in das lethargische und phlegmatische Leben. Denn sie
wetzt noch ihre Zähne, während sich Adam und Eve über Literatur, Kunst
und Musik austauschen und ihre Erinnerungen an die vielen Freunde der
Vergangenheit wie Schubert, Mary Shelley, Lord Byron oder Christopher
Marlowe austauschen...
Letzter lebt sogar noch und ist nicht 1593
verstorben, er hat auch "Hamlet" geschrieben und lebt nun in Tanger.
Dort wird aber mit kontaminiertem Blut gehandelt, was auch für Vampire
nicht gesund ist. Ansonsten wollte Jarmush nach eigenen Angaben die
beiden Figuren Adam und Eve als Metaphern für den gegenwärtigen Zustand
menschlichen Lebens anlegen. Diese seien zerbrechlich und laufen Gefahr,
empfindlich zu werden für die Gewalt der Natur und für das kurzsichtige
Verhalten derer, die an der Macht sind. Der Film hat schöne poetische
Ansätze und eine interessante Bildsprache, vieles ist dunkel in den
Farben der Nacht gehalten. Die Mixtur schließt auch die progressive
Undergrundmusik mit ein, die sehr gut als Gegengewicht zur Poesie der
Geschichte passt. Alles in allem ist mir aber Jarmushs Vampirvariante
ein bissel zu kulturverliebt und zu dekadent. Und ich hab es ja etwas
bedauert, dass Mia Wasikowska sehr schnell aus dem Haus geworfen wird,
denn sie brachte Leben in den faden Alltag. Zu Recht beschimpft sie
wütend ihre Schwester und den Schwagen als biedere Snobs. Diese laufen
dann mit ausgesaugter Langsamkeit beinahe schon in ihr Verderben. Doch
der Untergang ist immer eine Frage guter Zähne. So macht Jarmush am Ende
auch Hoffnung, dass Christopher Lee weiterlebt. Guter Film, aber kein
Meisterwerk wie "Night on Earth", "Dead Man", "Ghost Dog", "Mystery
Train" oder "Stranger than Paradise".
Bewertung: 7,5 von 10 Punkten
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