Regie: Andrej Tarkovsky
Reise in die Zone...
Bei den Filmfestispielen in Cannes wurde Andrei Tarkovskys fünfter
Spielfilm "Stalker" mit dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet.
Der 1979 gedrehte Science Fiction Film genießt bei den Filmkritikern und
Cineasten einen ausgezeichneten Ruf. Sight and Sound wählte "Stalker"
in der Umfrage über die besten Filme aller Zeiten auf die vorderen
Ränge. Die befragten Regisseure setzen den Film auf Platz 30, die
Kritiker fanden ihn noch einen Rang besser und wählten ihn zum 29besten
Film.
Wie auch die vorherigen und späteren Filme von Tarkovsky setzt auch
"Stalker" auf lange Einstellungen mit langsamer, subtiler
Kamerabewegung. Der Regisseur hielt nichts von schnellen Montagen.
Insgesamt gibt es 142 Aufnahmen in den 163 Minuten, die der Film läuft.
Fast alle Szenen, die nicht in dieser sagenumwobenen Zone spielen sind
in Sepia oder einem ähnlichen kontrastreichen braunen Monochron
gehalten. Einzige Ausnahme bilden die Szenen mit Stalkers Tochter, die
in Farbe gedreht wurden.
Die
Filmmusik zu Stalker wurde von Eduard Artemyev komponiert, der auch die
Musik zu Tarkovskys früheren Filmen" Solaris" und Der
Spiegel"komponiert hatte. Für" Stalker" komponierte und nahm Artemyev
zwei verschiedene Versionen der Musik auf. Die erste Musik wurde nur mit
einem Orchester aufgenommen, wurde aber von Tarkovsky abgelehnt. Die
zweite Musik, die im endgültigen Film verwendet wurde, wurde auf einem
Synthesizer zusammen mit traditionellen Instrumenten erstellt, die mit
Soundeffekten manipuliert wurden. In der endgültigen Filmmusik
verschwimmen die Grenzen zwischen Musik und Ton, da natürliche Geräusche
und Musik so stark interagieren, dass sie nicht mehr zu unterscheiden
sind. Tatsächlich waren viele der natürlichen Geräusche keine
Produktionsgeräusche, sondern wurden von Artemyev auf seinem Synthesizer
erstellt. In der Sowjetunion wurden 4,3 Millionen Kinotickets verkauft.
Die Handlung des Films ist sehr interesant
aufgebaut. Es beschreibt die Zeit nach einem Vorfall, der die Welt, wie
wir sie kennen, verändert hat. Was es war ? Der Fall eines Meteoriten ?
Oder gar der Besuch von Bewohnern aus dem Weltall ? Dadurch entstand das
Wunder aller Wunde. Die Rede ist von der "Zone" - es wurden Truppen
dorthin geschickt,a ber sie kamen nicht mehr zurück. Polizisten
umzingelten das Gebiet und riegelten es danach hermetisch von der
Öffentlichkeit ab. Denn diese Zone soll sehr gefährlich, sogar tödlich
sein. Andererseits soll es dort einen Raum der Wünsche geben. Wer bis
dorthin gelangt, so glaubt man inzwischen, kann seine geheimsten und
innisten Wünsche wahr machen.
Ein Mann (Alexander Kaidanowski) arbeitet
an einem namenlosen Ort als "Stalker“ und führt Menschen durch die
"Zone“, ein Gebiet, in dem die normalen Gesetze der Physik nicht gelten
und in dessen Ruinen Überreste scheinbar außerirdischer Aktivitäten
ungestört liegen. Der Bereich, in dem sich die Zone befindet, ist in
Geheimnisse gehüllt, von der Regierung abgeriegelt und von bedrohlichen,
übernatürlichen Gefahren umgeben. Zu Hause bei seiner Frau (Alissa
Freindlich) und seiner Tochter (Natascha Abramova) fleht ihn seine Frau
an, nicht in die Zone zu gehen, da er sonst eine weitere lange
Gefängnisstrafe riskieren würde, aber er weist ihre Bitten abweisend
zurück. In einem heruntergekommenen Cafe-Bar trifft der Stalker seine
nächsten Kunden für eine Reise in die Zone, einen Schriftsteller
(Anatoli Solonizyn) und einen Professor (Nikolai Grinko) Sie
umgehen die Militärblockade, die die Zone bewacht, indem sie einem Zug
durch das Tor folgen und in einem Eisenbahnwaggon ins Herz der Zone
fahren
Der
Stalker sagt seinen Klienten, dass sie genau tun müssen, was er sagt,
um die Gefahren zu überleben, die vor ihnen liegen, und erklärt, dass
die Zone respektiert werden muss und der geradeste Weg nicht immer der
kürzeste Weg ist. Der Stalker testet verschiedene "Fallen“, indem er an
Stoffstreifen gebundene Metallnüsse vor ihnen her wirft. Er bezieht sich
auf einen früheren Stalker, seinem früheren Mentor, der den Raum betrat
und wieder verließ, sehr reich wurde und sich dann erhängte. Der Autor
ist skeptisch gegenüber jeder echten Gefahr, aber der Professor folgt im
Allgemeinen dem Rat des Stalkers. Während sie reisen, diskutieren die
drei Männer ihre Gründe, warum sie den Raum besuchen wollen. Der Autor
äußert seine Angst, seine Inspiration zu verlieren. Der Professor
scheint weniger besorgt zu sein, obwohl er darauf besteht, einen kleinen
Rucksack mitzunehmen. Der Professor gibt zu, dass er hofft, einen
Nobelpreis für die wissenschaftliche Analyse der Zone zu gewinnen. Der
Stalker besteht darauf, dass er kein anderes Motiv hat als das
altruistische Ziel, den Verzweifelten bei der Erfüllung ihrer Wünsche zu
helfen. Nachdem sie durch die Tunnel gereist sind, erreichen die drei
endlich ihr Ziel: ein verfallenes und heruntergekommenes
Industriegebäude. Sie sind auch nicht mehr allein - ein Hund hat sich
dem Trio angeschlossen. Die Männer zögern, da der Raum von einer
"Fleischwolf“-Anomalie bewacht wird, die einen Tod erfordert, damit
jemand den Raum betreten kann, was zu einem Streit führt. In einem
kleinen Vorzimmer klingelt ein Telefon. Der überraschte Professor
beschließt, das Telefon zu benutzen, um seinen ehemaligen Chef anzurufen
und ihn zu verspotten, weil er den Raum gefunden hat. Während sich das
Trio darauf vorbereitet, den Raum zu betreten, offenbart der Professor
seine wahren Absichten bei der Reise. Der Professor hat eine
20-Kilotonnen-Bombe mitgebracht, um den Raum zu zerstören und zu
verhindern, dass böse Männer ihn zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen,
indem sie den Raum, den Stalker und die Kunden des Stalkers für den
Anstieg von Kriminalität, sozialen Unruhen, Militärputschen und
zerstörerischer Wissenschaft verantwortlich machen...
Dieser sehr dichte und komplexe Film ist nicht ohne
Widersprüche, wie der Mensch selbst und setzt sich mit dem menschlichen
Bewusstsein, auch der Notwendigkeit des Glaubens auseinander. Wünsche,
die in den Herzen der Menschen wohnen - ein zweischneidiges Schwert
sozusagen, denn wir sind eine Species, die sich mit "Gut" und "Böse"
auseinandersetzen muss. Möglicherweise ist dieser innigste Wunsch nicht
dass, was man selbst denkt und dass es gar nicht so erstrebenswert ist,
wenn man klar darüber wird und ihn erreicht.
Obwohl
der Film den Ursprung der Zone nicht näher erläutert, ist gegen Ende in
einer Einstellung des Stalkers mit seiner Familie außerhalb der Zone im
Hintergrund etwas zu sehen, das wie ein Kraftwerk aussieht. Die Themen nukleare Strahlung und Umweltzerstörung würden von Tarkowski in seinem letzten Film "Opfer", erneut aufgegriffen. Mitten
im Film hält der Stalker einen inneren Monolog, in dem er den gesamten
Abschnitt 76 von Lao Tses Tao Te Ching zitiert, dessen Text Weichheit
und Geschmeidigkeit als Eigenschaften eines Neugeborenen und damit eines
neuen Lebens charakterisiert; Härte und Stärke hingegen sind Eigenschaften, die dem Tod nahe sind.
In diesem Film möchte Tarkovsky zwei im Wesentlichen menschliche Aspekte hervorheben: Glaube und Liebe. Er
glaubt, dass der Glaube nicht aufgelöst oder zerstört werden kann, er
sich wie ein Kristall in der Seele eines jeden von uns bildet und seinen
großen Wert ausmacht, und dass, wenn Menschen das Gefühl haben, dass es
keine Hoffnung mehr auf der Welt gibt, es so etwas Erhabenes wie die
Liebe gibt. Tarkovskys Film basiert auf dem Science Fiction Roman
"Picknick am Wegesrand" von Boris Strugazki.
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