Regie: Phillip Noyce
Der Geber...
Nieder mit der Utopie, es leben die Dystopien...zumindest im Kino
unseres Jahrzehnts. Eine Gesellschaft hat sich zum Negativen entwickelt.
Die Autoren dieser Storys zeigen manchmal mit einem pessimistischen
Zukunftsbild auf bedenkliche Entwicklungen der Gegenwart. Dieser Staat
der Zukunft ist dann höchstwahrscheinlich schon eine Diktatur geworden,
geprägt durch den Untergang aus der Vergangenheit, den die Menschheit
selbst verursacht hat. Die Regierung versucht diese neue Gesellschaft
weitestgehend zu kontrollieren, sie am Denken zu hindert und verhindert
die Freiheit von Informationen. Seit dem Megaerfolg von "Die Tribute von
Panem" sprießen diese Filme wie Pilze aus der Erde und der Erfolg gibt
Filmen wie "Die Bestimmung", "Maze Runner" oder "Hüter der Erinnerung"
natürlich auch recht. Man nehme einfach ein paar attraktive Teenies und
platziere sie in einen technisch und visuell stark gemachten
Zukunfts-Themenpark.
Das Genre ist zwar schon uralt - wie
Fritz Langs "Metropolis" aus dem Jahr 1925 beweist und brachte vor der
Hinzunahme besonders jugendlicher Helden auch einige Meisterwerke
hervor: Ich erinnere da an Truffaut "Fahrenheit 451", den düsteren
George Lucas Film "THX 1138", Terry Giliams fiese Vision "Brazil" oder
an "Battle Royale", dem bösartigen Vorbild der Panem-Storys aus Japan .
Warum braucht die Science Fiction, der Dystopien Film nun diese Teenies ?
Vermutlich weil seit dem Siegeszug mit "Twilight" und zwei jugendlichem
Helden im Horrorgenre auch viel mehr Kohle gemacht wird als man
vermutet hat.
Kritiker werden natürlich zu Recht bemerken,
dass damit auch mit dem Genre eine gewisse Weichspülung einhergeht. Der
Vampir verliert dadurch seine bissigen Zähne und erweist sich als
blutleerer Sauger und schlapper Liebhaber. Übertragen heißt das auch für
das Zukunftsszenario: Weniger Intensität, weniger Tiefgang - dafür aber
eine gute Menge Mainstream mit dem ein eher düsteres Thema auch
gewinnbringender verkauft werden kann.
Wie diese Filme in der
Retrospektive eingeordnet werden wird die Zukunft zeigen. Haben sie gar
auch das Zeug zu Klassikern ? Möglich wäre es natürlich. Denn in einigen
Jahren sind sie selbst Kinogeschichte und repräsentieren mit ihrer
Machart auch einen Zeitgeist, der dann Vergangenheit sein wird.
In
"Hüter der Erinnerung" führte der Australier Philpp Noyce Regie, der
bereits 1989 mit "Todesstille" auf sich aufmerksam machen konnte und
sich in der Folge mit "Die Stunde der Patrioten" oder "Das Kartell" auch
in den USA etablieren konnte. Jüngst inszenierte er Angelina Jolie als
weibliche Bourne Ausgabe in "Salt". Die Form von "Hüter der Erinnerung"
ist daher auch überzeugend und hat mit Brenton Thwaites einen der
aufstrebenden Jungstars des zeitgenössischen Kinos an Bord. Der
26jährige Darsteller ist derzeit vollbeschäftigt mit "Oculus",
"Maleficent" oder "The Signal". Bald startet auch "Son of a Gun".
In
"Hüter der Erinnerung" spielt er den 16jährigen Jonas, der in einer
scheinbar schönen neuen Welt lebt. Es gibt keine Kriege mehr, keine
Armut und keine Gewalt. Aber um dieses zu halten sind die Menschen
angehalten nach den Gesetzen der Ältesten (u.a. Meryl Streep) zu leben
und dazu gehört die tägliche Einnahme von Medikamenten am Morgen, um den
Tag zu bestreiten und vor allem um jedwede Gefühle zu ünterdrücken.
Daher ist ein Begriff wie "Liebe" ebenso fremd wie "Hass". Ausserdem
sehen die Menschen keine Farben. Daher ist diese Welt in schwarz-weiß.
Alle tragen identische Kleidung, die Unterkünfte sind identisch.
Kontrolle wird groß geschrieben. Jede Familie darf nur zwei Kinder
haben.
Doch die Mütter und Väter sind nicht die
leiblichen Eltern. Söhne und Töchter werden von Leihmüttern ausgetragen
und einem Paar auf Antrag zugewiesen. Sobald sie ein bestimmtes Alter
erreicht haben, wird die Familie aufgelöst und die jungen Menschen
erhalten eine vorgegebene Aufgabe in der Gesellschaft. Jonas ist
befreundet mit Fiona (Odeya Rush) und Asher (Cameron Monagham). In einer
Zeremonie wird bestimmt, dass Jonas aufgrund seiner Intelligenz,
Rechtschaffenheit die aussergewöhnlichste Aufgabe zugeteilt bekommt.
Denn als Hüter der Erinnerung ist er einzigartig und die Aufgabe ist es
das gesamte Wissen der Menschheit stellvertretend zu verwalten. Nur
dieser Hüter der Erinnerung hat Einblick in alles verloren Geglaubte und
wird auch die Welt kennenlernen, die vor der Einführung der Gleichheit
existent war. Der noch amtierende Hüter (Jeff Bridges) wird zu seinem
Geber, der die Aufgabe hat, sein Wissen an die nächste Generation - also
an Jonas - weiterzugeben. Jonas ist fasziniert von dieser ihm
unbekannten, aber auch gefährlichen Welt voller Liebe und auch Hass. Er
lernt Schmerz und Freude kennen. Und dabei lässt er auch das
morgendliche Medikament weg...
Je mehr Jonas Erkenntnis
gewinnt, desto mehr tauchen die Farben im Film auf. Ein einfacher, aber
auch effektiver Kunstgriff in diesem optisch gut gemachten Science
Fiction Film, der mit seinen 97 Minuten knackig kurz geraten ist und
daher der Gefahr entgeht eine gewisse Trägheit zu erlangen, wie man sie
bereits im 2. Teil der Panem Trilogie bemerkte. Natürlich ist die
Message entwaffend einfach, aber Noyce hat das alles in überzeugende
Bilder getaucht. Die Flucht mit einem kleinen Säugling, der vom System
"getötet" werden soll" ist dann auch gleichzeitig Höhepunkt des Films
und fügt Traum und Wirklichkeit zusammen. Denn Jonas hat von dieser
Schlittenfahrt im Schnee schon einmal geträumt und das Haus, aus dem man
ein Weihnachtslied hört, steht sinnbildlich für das wieder gefundene
Zuhause.
Bewertung: 7 von 10 Punkten.
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