Sonntag, 15. Februar 2015

Hüter der Erinnerung

























Regie: Phillip Noyce

Der Geber...

Nieder mit der Utopie, es leben die Dystopien...zumindest im Kino unseres Jahrzehnts. Eine Gesellschaft hat sich zum Negativen entwickelt. Die Autoren dieser Storys zeigen manchmal mit einem pessimistischen Zukunftsbild auf bedenkliche Entwicklungen der Gegenwart. Dieser Staat der Zukunft ist dann höchstwahrscheinlich schon eine Diktatur geworden, geprägt durch den Untergang aus der Vergangenheit, den die Menschheit selbst verursacht hat. Die Regierung versucht diese neue Gesellschaft weitestgehend zu kontrollieren, sie am Denken zu hindert und verhindert die Freiheit von Informationen. Seit dem Megaerfolg von "Die Tribute von Panem" sprießen diese Filme wie Pilze aus der Erde und der Erfolg gibt Filmen wie "Die Bestimmung", "Maze Runner" oder "Hüter der Erinnerung" natürlich auch recht. Man nehme einfach ein paar attraktive Teenies und platziere sie in einen technisch und visuell stark gemachten Zukunfts-Themenpark.
Das Genre ist zwar schon uralt - wie Fritz Langs "Metropolis" aus dem Jahr 1925 beweist und brachte vor der Hinzunahme besonders jugendlicher Helden auch einige Meisterwerke hervor: Ich erinnere da an Truffaut "Fahrenheit 451", den düsteren George Lucas Film "THX 1138", Terry Giliams fiese Vision "Brazil" oder an "Battle Royale", dem bösartigen Vorbild der Panem-Storys aus Japan . Warum braucht die Science Fiction, der Dystopien Film nun diese Teenies ? Vermutlich weil seit dem Siegeszug mit "Twilight" und zwei jugendlichem Helden im Horrorgenre auch viel mehr Kohle gemacht wird als man vermutet hat.
Kritiker werden natürlich zu Recht bemerken, dass damit auch mit dem Genre eine gewisse Weichspülung einhergeht. Der Vampir verliert dadurch seine bissigen Zähne und erweist sich als blutleerer Sauger und schlapper Liebhaber. Übertragen heißt das auch für das Zukunftsszenario: Weniger Intensität, weniger Tiefgang - dafür aber eine gute Menge Mainstream mit dem ein eher düsteres Thema auch gewinnbringender verkauft werden kann.
Wie diese Filme in der Retrospektive eingeordnet werden wird die Zukunft zeigen. Haben sie gar auch das Zeug zu Klassikern ? Möglich wäre es natürlich. Denn in einigen Jahren sind sie selbst Kinogeschichte und repräsentieren mit ihrer Machart auch einen Zeitgeist, der dann Vergangenheit sein wird.
In "Hüter der Erinnerung" führte der Australier Philpp Noyce Regie, der bereits 1989 mit "Todesstille" auf sich aufmerksam machen konnte und sich in der Folge mit "Die Stunde der Patrioten" oder "Das Kartell" auch in den USA etablieren konnte. Jüngst inszenierte er Angelina Jolie als weibliche Bourne Ausgabe in "Salt". Die Form von "Hüter der Erinnerung" ist daher auch überzeugend und hat mit Brenton Thwaites einen der aufstrebenden Jungstars des zeitgenössischen Kinos an Bord. Der 26jährige Darsteller ist derzeit vollbeschäftigt mit "Oculus", "Maleficent" oder "The Signal". Bald startet auch "Son of a Gun".
In "Hüter der Erinnerung" spielt er den 16jährigen Jonas, der in einer scheinbar schönen neuen Welt lebt. Es gibt keine Kriege mehr, keine Armut und keine Gewalt. Aber um dieses zu halten sind die Menschen angehalten nach den Gesetzen der Ältesten (u.a. Meryl Streep) zu leben und dazu gehört die tägliche Einnahme von Medikamenten am Morgen, um den Tag zu bestreiten und vor allem um jedwede Gefühle zu ünterdrücken. Daher ist ein Begriff wie "Liebe" ebenso fremd wie "Hass". Ausserdem sehen die Menschen keine Farben. Daher ist diese Welt in schwarz-weiß. Alle tragen identische Kleidung, die Unterkünfte sind identisch. Kontrolle wird groß geschrieben. Jede Familie darf nur zwei Kinder haben.
Doch die Mütter und Väter sind nicht die leiblichen Eltern. Söhne und Töchter werden von Leihmüttern ausgetragen und einem Paar auf Antrag zugewiesen. Sobald sie ein bestimmtes Alter erreicht haben, wird die Familie aufgelöst und die jungen Menschen erhalten eine vorgegebene Aufgabe in der Gesellschaft. Jonas ist befreundet mit Fiona (Odeya Rush) und Asher (Cameron Monagham). In einer Zeremonie wird bestimmt, dass Jonas aufgrund seiner Intelligenz, Rechtschaffenheit die aussergewöhnlichste Aufgabe zugeteilt bekommt. Denn als Hüter der Erinnerung ist er einzigartig und die Aufgabe ist es das gesamte Wissen der Menschheit stellvertretend zu verwalten. Nur dieser Hüter der Erinnerung hat Einblick in alles verloren Geglaubte und wird auch die Welt kennenlernen, die vor der Einführung der Gleichheit existent war.  Der noch amtierende Hüter (Jeff Bridges) wird zu seinem Geber, der die Aufgabe hat, sein Wissen an die nächste Generation - also an Jonas - weiterzugeben. Jonas ist fasziniert von dieser ihm unbekannten, aber auch gefährlichen Welt voller Liebe und auch Hass. Er lernt Schmerz und Freude kennen. Und dabei lässt er auch das morgendliche Medikament weg...


 Je mehr Jonas Erkenntnis gewinnt, desto mehr tauchen die Farben im Film auf. Ein einfacher, aber auch effektiver Kunstgriff in diesem optisch gut gemachten Science Fiction Film, der mit seinen 97 Minuten knackig kurz geraten ist und daher der Gefahr entgeht eine gewisse Trägheit zu erlangen, wie man sie bereits im 2. Teil der Panem Trilogie bemerkte. Natürlich ist die Message entwaffend einfach, aber Noyce hat das alles in überzeugende Bilder getaucht. Die Flucht mit einem kleinen Säugling, der vom System "getötet" werden soll" ist dann auch gleichzeitig Höhepunkt des Films und fügt Traum und Wirklichkeit zusammen. Denn Jonas hat von dieser Schlittenfahrt im Schnee schon einmal geträumt und das Haus, aus dem man ein Weihnachtslied hört, steht sinnbildlich für das wieder gefundene Zuhause.


 Bewertung: 7 von 10 Punkten.

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