Regie: Terry Gilliam
Schöne neue Welt...
Die von Monthy Python Mitglied Terry Gilliam inszenierte Dystopie
"Brazil" war in ihrem Erscheinungsjahr kein profitabler Film. Durch das
relativ hoch angesetzte Budget von 15 Millionen Dollar war das
Einspielergebnis in den USA leicht unter 10 Millionen Dollar und so warf
"Brazil" keine großen Gewinne am Ende ab. Allerdings etablierte sich
das schräge Movie sehr schnell zu einem Kultfilm und inzwischen gilt der
Science-Fiction Beitrag als Klassiker des Genres und wurde auch in die
Liste der 100 besten britischen Filme des British Film Institute auf
Platz 54 gewählt. Das Time Out Magazine sieht ihn noch weiter
vorne...dort rangiert Gilliams Film auf dem 27. Rang der wichtigsten
britischen Filme.
Terry Gilliam setzte gemeinsam mit den Drehbuchautoren Charles
McKeown und Tom Stoppard auf eine fiese Mischung aus George Orwells
düsterer Zukunfsszenerie "1984" und Franz Kafkas Misstrauen in die
Bürokratie.
Diese Mischung wird eingebettet in eine Geschichte, die der 1947
entstandenen Hollywoodkomödie "Teh Secret Life of Mr. Mitty" von Norman
Z. McLeod sehr ähnlich ist. Ein Antiheld, der die Frau seiner Träume
vor den größten Gefahren retten. In diesen Tagträumen kämpft Sam Lowry
(Jonathan Pryce), ein kleiner unauffälliger Angegestellter aus dem
Archiv der Abteilung für Informationswiederbeschaffung, gegen eine
Übermacht von Feinden, die viel größer und mächtiger sind als er. Ein
japanischer Terrakotta-Krieger fordert ihn zum Duell heraus, tatsächlich
gelingt es ihm mit seinen Flügeln als Sieger des Kampfes hervorzugehen
und mit seiner blonden Angebeteten schwingt er sich in die Lüfte und
fliegt mit ihr ins Glück.
Die Realität sieht aber etwas anders aus. Immerhin hat er eine
Arbeit beim allmächtigen Informationsministerium und wird von seinem
Chef Mr. M. Kurtzmann (Ian Holm) hochgeschätzt, weil er dessen Fehler
und Inkompetenz immer wieder ausbügeln kann. Sichtlich ist Sam Lowry
überfordert, will aber gar keine Beförderung - er fühlt sich dort im
Archiv sehr wohl. Seine Mutter Mrs. Ida Lowry (Katherine Helmond) ist
aber eine einflussreiche Persönlichkeit, die Connections bis nach ganz
oben in die höchsten Kreise hat. Wenn sie nicht gerade mit ihrer
Freundin Alma Terrain (Barbara Hicks) in Sachen Kosmetikoperationen
konkurriert, dann lässt sie schon mal ihren Einfluss spielen, damit der
Sprössling in der Bürokratie-Hirarchie entscheidend aufsteigen kann. Die
beiden Schönheits-OP süchtigen Ladys forcieren auch heimlich das
Zustandekommen einer Freundschaft zwischen Sam und Mrs. Terrains
mauerblümchenmässigen Tochter Shirley (Katherine Pogson). Ansonsten
lassen die beiden Damen sich von Dr. Louis Jaffe (Jim Broadbend)
kosmetisch verjüngen.
Unmittelbar in Lowrys brokratischem Wirkungskreis wird eine Kette
von weitreichenden Ereignissen durch einen grotesken Fehler im System
des unfehlbaren Informationsministeriums ausgelöst. Eine tote Fliege hat
diesen Systemfehler verursacht. Durch diese Fliege wird nicht der
mutmaßliche Terrorist Tuttle (Robert de Niro) sondern der unbescholtene
Schuhmacher Buttle (Brian Miller) verhört und zu Tode gefoltert. Und
aussergerechnet an Weihnachten. Buttles Nachbarin Jill Layton (Kim
Greist) hat diese Verhaftung hautnah miterlebt und ist seither
"systemkritisch". Gegen solche subversiven Elemente geht der Staat
rigoros vor, denn die Terrorbomben, die überall in der Stadt hochgehen,
vermehren sich - aber letztendlich ist es die Liebe zu Jill, die
aussieht wie die Traumfrau seiner Träume und die Lowry zum Rebellen
macht. Am Ende sitzt der romantische Held, der lateinamerikanische alte
Schlager liebt, auf dem Folterstuhl und sein bester Freund Jack Lint
(Michael Palin) muss den Folterknecht spielen. Macht er, denn
schließlich ist er ein leitender Angestellter des Regimes...
Optisch gleitet "Brazil" in einigen Szenen in Noir Gefilde ab, was
dem Film aber zusätzlich noch eine stärkere Dusterness verleiht. Der
Film strotzt nur so von überschäumenden und schwarzhumorigen Einfällen.
Gilliam wollte den Film ursprünglich 1984 1/2 nennen und kombiniert die
Faschismus-Satire auch mit einer großen Portion Kritik am heutigen
Konsumverhalten und nimmt auch die heutzutage immer größere bis
teilweise wahnsinnig agierende Burokratie aufs Korn. Markant auch die
Herausstellung von eisernen Käfigen, in denen sich der Mensch der nahen
Zukunft gefangen, aber offensichtlich auch wohl fühlen kann. Unvergessen
bleibt für mich auch Katherine Helmond als Sams durchgeknallte Mom.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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