Sonntag, 22. Januar 2017

Wiegenlied für eine Leiche

























Regie: Robert Aldrich

Hollywood Grand Guignol...

Nach dem riesigen Kinoerfolg (9 Millionen Dollar Kasse) von "Was geschah wirklich mit Baby Jane ?" hatte Hollywood Regisseur offensichtlich Spass noch ein weiteres grotesk-triviales Horrorstück im Stil des Grand Guignol zu inszenieren. Und es sollte wieder mit dem herrlich funktionierenden Grusel- Duo Bette Davis und Joan Crawford besetzt werden. Doch die Crawford wurde krank. Es ging aber auch das Gerücht herum, dass sie aus dem Unternehmen ausstieg, weil sie empfand, dass Aldrich Bette Davis bevorzugte. Vivien Leigh und Katharine Hepburn sagten ab - so kam es zur Verpflichtung der großartigen Olivia de Havilland, die es wunderbar beherrscht völlig gütige Charaktere zu spielen (Cousine Melanie in "Gone with the wind oder als Ruth in der Doppelrolle in "Dark Mirror") oder auch das krasse Gegenteil (Terry in "Dark Mirror" - die von Hass und Paranoia zerfressene Zwillingsschwester der gütigen Ruth). In "Wiegenlied für eine Leiche" durfte sie die Cousine der seltsamen und etwas durchgeknallten Bette Davis spielen. Und zwar etwas angelegt wie in Henry Kosters "Meine Cousine Rachel" - dort ist der Zuschauer auch erst mal damit beschäftigt diese Cousine richtig einzuschätzen. Ist sie gekommen um zu helfen oder hat sie etwa finstere Pläne ?
"Wiegenlied für eine Leiche" spielte wieder reichlich Geld ein - mit 8 Millionen Dollar Umsatz schaffte es Robert Aldrich auf Platz 20 der Kinojahrescharts. Und tatsächlich ist der Film beinahe genauso stark wie der Vorgänger - er fällt lediglich beim zweiten Sehen etwas ab, da man dann die vielen Wendungen des Psychothrillers mit fiesem Horroreinschlag bereits kennt. Und es gibt darin nicht nur ein Wiedersehen mit diesen Legenden der Leinwand Bette Davis und Olivia de Havilland.
Auch für die Nebenrollen hat Aldrich ein paar grandiose Kinostars der 40er verpflichtet: Joseph Cotten, Mary Astor, Agnes Moorehead oder Cecil Kellaway.
Ein langes Intro führt den Zuschauer zurück ins Jahr 1927, nach Louisiana. Dort hat sich die Southern Belle Charlotte Hollis (Bette Davis) in den verheirateten John Mayhew (Bruce Dern) verliebt. Die beiden haben vor nach Mexiko zu fliehen, er hat für sie sogar ein Lied "Hush Hush sweet Charlotte" geschrieben. Doch der Vater von Charlotte, der steinreiche und einflussreiche Big Sam Hollis (Victor Buono) erfährt von der untragbaren Liason und zwingt den Liebhaber sich von Charlotte fernzuhalten. Am gleichen Tag findet im Herrenhaus von Hollis ein riesiger Ball statt. John gibt Charlotte im Pavillon den Laufpass und wird später brutal ermordet. Die Hand wird ihm mit einem Schlachtermesser abgetrennt, ausserdem wird er enthauptet. Charlotte erscheint dann im Ballsaal mit einem blutigen Kleid.
37 Jahre später: Die Kinder im Ort machen sich schon seit Jahren einen Spass mit einer Mutprobe. Wer den Mut hat in der Dunkelheit in das Haus zu gehen, der ist ein Held. Ausserdem haben sie schon vor Jahren den Song von Charlottes Liebhaber als Spottlied umgedichtet. Im Ort gilt Charlotte, die nie heiratete, als verschrobene, reizbare und leicht verrückte Einzelgängerin, für die die Zeit stehen geblieben ist. Sie gilt jedoch als harmlos, obwohl sie immer die Hauptverdächtige in diesem bis heute unaufgeklärten Mordfall des Jahres 1927 war. Sie hat nur eine echte Bezugsperson - die Haushälterin Velma (Agnes Moorehead). Gelegentlich schaut der Arzt Dr. Drew Bayliss (Joseph Cotten) vorbei. Oder neuerdings Luke Standish (Wesley Addy), der Sheriff des Orts, denn Charlotte will das alte Anwesen nicht verlassen - obwohl die Räumung schon angesetzt ist. Die schrullige Charlotte wäre wohlhabend genug, um in einem viel schöneren Haus zu wohnen. Doch sie hängt an ihren Erinnerungen fest und glaubt die Räumung wäre ein Komplott von Jewel Mayhew (Mary Astor), der Witwe ihres ehemaligen Lovers. Nur gut, dass vielleicht Hilfe in der Person ihrer Cousine Miriam Deering (Olivia de Havilland) kommt - zumindest setzt Charlotte auf sie. Mit dem Einzug von Miriam mehren sich aber auch mysteriöse und schreckliche Vorkomnisse im Haus. Kann es sein, dass Charlotte nun endgültig den Verstand verliert. Zur gleichen Zeit taucht auch der Versicherungsagent Harry Willis (Cecil Kellaway) in der Stadt auf, der sich für den alten Mordfall besonders interessiert....





Natürlich spielt so ein erlesenes Ensemble mit riesiger Freude. Für Agnes Moorehead als Velma sprang sogar eine Oscar-Nominierung heraus. Nominiert wurde der Film ausserdem für die beste Kamera (Joseph Biroc), Art Directon (Glasgow & Bretton), Beste Kostüme (Norma Koch), bester Schnitt (Michael Luciano), beste Filmmusik (Frank de Vol), ausserdem wurde der Song selbst nominiert. Obwohl der Film viel weniger subtil ans Werk geht wie der Vorgänger. Dort bezieht die Geschichte ihren Horror aus dem Umgang der beiden Schwestern miteinander. In "Wiegenlied für eine Leiche" agiert Bette Davis noch überzogener - aber es funktioniert prächtig. Auch die Geschichte ist viel sadistischer und grob inszeniert. Eine eh schon durchgeknallte reiche Jungfrau soll wirklich verrückt im Sinne von "krank" gemacht werden. Dafür setzen die Übeltäter abgetrennte Körperteile ein, sie spielen nachts auf dem Klavier und rufen mit dem "Hush Hush Sweet Charlotte" ihr potentielles Opfer aus dem Bett. Eine Geschichte um Mord, Chaos und Täuschung. Sehr wendungsreich - wenn man an die vielen heutigen Filme mit den irren Wendungen denkt, dann ist "Wiegenlied für eine Leiche" sogar ein sehr zukunftsweisender Schocker. Für seine Entstehungszeit waren auch die Gruseleffekte recht krass. Aus heutiger Sicht natürlich schon etwas veraltet...aber es ist dennoch ein Vergnügen diesen kranken Südstaatencharakteren bei ihrem perfiden Spiel zuzusehen. Das Ende heißt Mord - aber auch Erlösung durch einen Brief.




Bewertung: 9 von 10 Punkten. 

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