Sonntag, 25. August 2019

Der goldene Handschuh

























Regie: Fatih Akin

Horror im Kiez...

Nach Lars von Triers schockierendem Serienkillermovie "The House that Jack built" hat sich auch der deutsch-türkische Regisseur Fatih Akin in "Der goldene Handschuh" einem Serienmörder gewidmet. Die Geschichte spielt in den Jahren 1970 bis 1975 in Hamburg, besser gesagt in der Szenekneipe "Zum goldenen Handschuh" und in der Wohnung Zeißstraße 74 in Hamburg-Ottensen. Dort wohnt der alleinstehende Fritz Honka, der später in die deutsche Kriminalgeschichte als fieser Frauenmörder eingehen sollte.
Honka ertränkt seine Einsamkeit und die Trostlosigkeit seines Lebens mit reichlich Alkohol und legt in seiner Wohnung deutsche Schlager wie "Es geht eine Träne auf Reisen" oder "Junge, komm bald wieder" auf. Ein Wunsch nach einem besseren Leben, dass er nie zustande bringen wird. Denn der Mann tötet im Suff und voller Aggression auch Frauen. Es sind Frauen, die meistens älter sind als er selbst, die dem Trinkermilieu der Reeperbahn entstammen und als bindungslose Stadtstreicherinnen keine eigene Bleibe hatten. Für ein bisschen Alkohol oder Zigaretten oder auch für einen Schlafplatz schliefen sich auch mit ihrem Gönner. Im Hause ist ein übler Geruch zu verzeichnen, in der Wohnung von Honko noch mehr. Der gibt aber den Griechen vom unteren Stock die Schuld "Was die so alles kochen". In der ersten Szene versucht der betrunkene Honka einen leblosen Frauenkörper, der in seinem Bett liegt, verschwinden zu lassen. Er wirft die Tote in einen Müllsack und versucht sie durchs Treppenhaus aus dem Haus zu schaffen. Doch das kleine Mädchen der griechischen Nachbarn hat die Tür geöffnet, so muss Honka die Aktion unterbrechen und so bleibt die Leiche in der Wohnung. Dort zersägt er deren Körper und versteckt die Teile in der Wohnung. Die Wohnung sah mehr als seltsam aus, denn an den Wänden hingen mehr als 300 Pornobilder und Fotos nackter PinupGirls. Während Alkoholexzessen mit den Opfern kam es zu den Morden. Honka gab an, dass die Tötungen aufgrund seines immensen Alkoholrausches stattfanden. Am nächsten Morgen sei er aufgewacht, ohne sich an den genauen Tathergang erinnern zu können.
Auch im "Zum goldenen Handschuh" werden Schlager für die Stammgäste aufgelegt. Diese Szenekneipe war ein Sammelpunkt für das "Treibgut der Gesellschaft". Dort verkehren Trinker, ältere Prostituierte und andere gescheiterte Existenzen. Auch "Fiete" (Jonas Dassler) gehört dazu, wie der Fritz Honka dort genannt. Hier spielt die Jukebox "Ein Schiff wird kommen" von Daliah Lavi, "Du sollst nicht weinen" von Heintje, "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" von Christian Anders, "Schwarze Madonna" von Bata Illic oder "Das Herz von St. Pauli" von Hans Albers. Keiner ahnt etwas davon, was sich manchmal in Honkas Wohnung abspielt. Wenn der sturzbesoffene, hochaggressive Mann seine Machtgelüste an seinen weiblichen Gästen auslässt, die ebenso betrunken sind wie er. Eine seiner Zufallsbekanntschaften aus dem golden Handschuh heißt Gerda Voss (Margarethe Tiesel), die er einmal übernachten lässt und sie am nächsten Tag nach der Arbeit hinauswirft. Doch die ältere Frau hat immerhin die Wohnung aufgeräumt, so lässt er sie für eine Zeitlang dort wohnen. Er lässt sich "Chef" von ihr nennen und demütigt die geschundene Frau zu jeder Gelegenheit, auch beim Sex. Auch Gerda fällt dieser üble Verwesungsgeruch in der Wohnung sofort auf. ...
Fatih Akins Films ist eine schockierende Milieustudie und Kritiker werden bemerken, dass der namhafte Regisseur kein Gespür für Zwischentöne zuließ. Statdessen sieht man nur Elend und Ekel. Es gibt nichts Schönes im Leben des Frauenmörders, der selbst von den heruntergekommenen Frauen im Goldenen Handschuh öfters einen Korb bekommt, wenn er "Sie" zum Schnaps einlädt. Jonas Dassler zeigt in der Rolle des etwas entstellten, aber dennoch völlig unscheinbaren Mörders eine sehr gute Leistung. Daher wurde der junge Schauspieler auch für den deutschen Filmpreis nominiert. Ebenso wie seine Kollegin Margarethe Tiesel in der Kategorie "Beste Nebendarstellerin".
Insgesamt brachte es Fatih Akins Schocker ohne Gnade auf insgesamt 5 Nominierungen, darunter auch für das beste Szenenbild und fürs beste Kostümbild. Am Ende gabs aber nur eine Auszeichnung. Die drei Maskenbildner Maike Heinlein, Daniel Schröder und Lisa Edelmann waren siegreich.
 




Viele Zuschauer wird der Film abschrecken, da die ekelhaften Szenen oft das Geschehen dominieren, aber ich gehe davon aus, dass sie einen realistischen Einblick in dieses Verliererleben geben. Gelegentlich fühlte ich mich an die eher schonungslosen Filme von Rainer Werner Fassbinder sowie an "Die Zärtlichkeit der Wölfe" von Ulli Lommel erinnert. Es ist sicherlich kein Film, den man gerne ein zweites Mal anschauen will, dazu ist er viel zu niederschmetternd. Die FSK Einstufung "ab 18 Jahre" halte ich für sinnvoll, auch wenn sich die Kamera vom Tatgeschehen entfernt. Aber in der Phantasie bleiben diese Handlungen des sozial verkommenen Gewalttäters, der von Frauenhass, sexueller Gier und Sentimentalität getrieben wird. Ein Bild aus einem dunklen Deutschland zu einer Zeit, als der deutsche Schlager die Charts beherrschte. In weiteren Rollen sind Greta Sophie Schmidt und Tristan Göbel als Jugendliche zu sehen. Marc Hosemann als Fritz Honkas Bruder, Katja Studt als Putzfrau Helga Denninger und Martina Eitner-Acheampong als Opfer Frida. Fatih Akins Regiefreund Hark Bohm ist in der Rolle des Dornkaat-Max zu sehen.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

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