Regie: Ingmar Bergman
Dämonen...
Filmfreunde werden in Ingmar Bergmans 1968 gedrehten Horrorfilm
"Die Stunde des Wolfs" Parallelen zu Roman Polanskis "Der Mieter" finden
und auch mit Alain Resnais kryptischen "Letztes Jahr in Marienbad" gibt
es Ähnlichkeiten. Genau wie "Der Mieter" wird ein pychisch
angeschlagener Mann mit einer Gruppe von anderen Menschen konfrontiert,
von denen er glaubt, dass die ihm Böses wollen. Die rätselhaften
Schwarz-Weiß Bilder von Sven Nykist, der Kamerachef in "Die Stunde des
Wolfs" war, verfängt sich ebenfalls wie Sacha Viernys Bildkompositionen
in stimmungsvollen Details. Besonders die Sequenz auf dem Anwesen von
Baron von Merkens erinnert an dessen kamerafahrten durch die Räume im
barocken Dekor.
Thematisch gehört "Die stunde des Wolfs" neben den etwas später
gedrehten "Schande" und "Passion" zu der sogenannten Fårö-Trilogie, die
beiden Schauspieler Max von Sydow und Liv Ullmann sind die Gesichter
dieses düsteren Films.
Eingerahmt durch den Bericht von Alma (Liv Ullmann) wird der
Zuschauer auf die Geschichte eingestimmt. Sie spricht dabei das Publikum
an und erzählt von dem sonderbaren Verschwinden ihres Mannes, des
Malers Johan Borg (Max von Sydow) und eröffnet so auch einen Rückblick
auf die Ereignisse. Alma schildert ihre Erlebnisse und wird dann später
auch noch einen Einblick in die Tagebücher ihres Mannes geben. Der
besucht gemeinsam mit seiner Frau Alma immer wieder die Ruhe und
Abgeschiedenheit auf der kleinen Insel Baltrum. Dort hat er bisher immer
die Ruhe gefunden, die er zum malen braucht.
Doch wie ist sein seelischer Zustand ? Alma ist ratlos, denn ihr
Mann ist tagsüber alleine auf der Insel unterwegs und am Abend, wenn er
nach Hause kommt, erzählt er ihr sonderbare Dinge über Menschen, die er
kennengelernt hat. Einen Homosexuellen, der ihm nachstellt - eine alte
Frau mit Hut - und der gefährlichste von allen, dem Vogelmenschen. Johan
glaubt, dass diese Menschen in Wirklichkeit Dämonen sind und ihm nach
dem Leben trachten. Und tatsächlich macht auch Alma eines Tages
Bekanntschaft mit dieser alten Frau mit Hut, die ihm anrät, dass sie
doch die unter dem Bett versteckten Tagebücher des Mannes lesen soll.
Immer mehr dieser ominösen Gestalten nehmen Kontakt mit Johan auf, auch
seine frühere Geliebte Veronica Vogler (Ingrid Thulin) erscheint Johan.
Ist das Traum ? Ist es Einbildung ? Oder erlebt er es tatsächlich ?
Jedenfalls wird er eines Tages von Baron von Merkens (Erland Josephson)
eingeladen, der am anderen Ende der Insel auf seinem Schloß lebt. Er
soll auch Alma mitbringen. Dort finden sie eine surreale Gesellschaft
vor, auch die Frau des Barons (Gertrud Fridh) und dessen Mutter (Gudrun
Brost) wirken äusserst seltsam. Nachdem Johan und Alma die Burg
verlassen, gesteht sie ihm ihre Angst ihn an Dämonen zu verlieren, aber
auch ihren Willen nicht so schnell aufzugeben.
Doch diese Unterstützung für ihren Ehemann ist alles andere als
leicht, denn der leidet zunehmend unter Schlaflosigkeit und hofft, dass
die Frau mit ihm wach bleiben kann. Er erinnert dabei an die "Stunde des
Wolfs" - die Zeit ab 4 Uhr Morgens, wo die meisten Menschen sterben und
auch geboren werden. Die Visionen werden auch immer stärker und
gewalttätiger - so wird Johan am Strand mit einem Jungen konfrontiert,
der ihn versucht zu beißen und zu peinigen. Aus Notwehr tötet er das
Kind. Alma ist immer mehr schockiert von Johans Geständnissen. Dann
werden sie erneut ins Schloß eingeladen. Der Bote überbringt diese
Einladung persönlich und legt eine Pistole auf den Tisch. Dann gerät das
Ehepaar in Streit, ein Schuß fällt...
In einem erläuternden Satz meint Alma "Wenn Paare lange genug
zusammen sind, dann werden sie sich immer ähnlicher. Kann es auch sein,
dass die Gedankenwelt immer mehr Eins wird ?" - damit spielt sie darauf
an, dass sie selbst auch diese Erscheinung der alten Frau hatte. "Die
Stunde des Wolfs" ist ein echter Alptraumfilm - ähnlich wie Polanskis
"Der Mieter" und wie dieser lässt er auch vieles offen. Der Zuschauer
nimmt aber großen Anteil an der Schlaflosigkeit des Künstlers auf dieser
einsamen Insel. Die Bilder drücken zusätzlich eine enorme Schwere aus.
Jedesmal wenn er auf einer Felsenklippe seine Staffelei auspackt, wird
er schon mit diesen dämonischen Gestalten konfrontiert - sie lassen ihn
nicht mehr los. Bergman inszenierte in nüchternen Bildern, es herrscht
ein gewisser Neo-Realismus vor. Es ist ein Film über die Macht der
Suggestion und vieles bleibt vage. Aber die Phantasie wird angeregt,
denn die Schloßbewohner haben Ähnlichkeiten mit untoten Nachtgestalten
inkl. vampiristischen Gelüsten. In einer Schlüsselszene wird der
Künstler dadurch gedemütigt, dass er wie eine Frau geschminkt, von
seiner Exgeliebten, die sich dann ebenfalls im Schloß aufhält,
verspottet wird. In solchen Szenen hat man das Gefühl, dass es doch die
zerstörerischen Kräfte in Johans Inneren sind, die diesen Horror
hervorrufen. Aber man darf sich auch da nicht zu sicher sein.
Bewertung: 9 von 10 Punkten.
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