Regie: Julia Ducournau
Metall im Körper...
Ganz starker Tobak, den die Regisseurin Julia Ducournau ihren
Zuschauern mit den ersten Szenen ihres Films "Titane" da serviert. Eine
durchgeknallte Tänzerin und Serienkillerin startet zum Amoklauf, indem
sie zuerst einen Fan ermordet und später einer Kollegin und deren
Mitbewohner das Licht auslöscht. Das ist sehr provokant und die Szenen
sind explizit und einfach unappetitlich. Dann wendet sich die Geschichte
und nimmt surreale Züge an. Durch diese Wendung wird der Film dann
plötzlich interessant und irgendwann können auch die ersten brutalen
Szenen besser eingeordnet werden. Es sind keineswegs Szenen, die dem
Selbstzweck dienen, sondern sie dienen der gesamten Dramaturgie.
"Titane" ist eine Mischung zwischen zwischen Horrorgenre und Arthaus,
sehr verwandt mit den früheren Kultfilmen des kanadischen Filmemachers
David Cronenberg. Besonders sein Film "Crash" über Autofetischisten
kommt in den Sinn. Auch Alexia, die Heldin in Julia Ducournaus Film ist
von Kind an eine Autonärrin. Sie hat aber als kleines Mädchen (Adele
Guigue) einen Autounfall, der von ihrem Vater (Bertrand Bonello)
verursacht wird. Dem Mädchen wird aufgrund der schweren Kopfverletzung
eine Titanplatte in den Kopf eingesetzt. Fast zärtlich verliebt drückt
sie nach der geglückten Operation ihre rechte Gesichtshälfte, bei der
die Narbe sichtbar ist, gegen das Autofenster. Als junge Frau ist Alexia
(Agathe Rouselle) eine begehrte Tänzerin und ist Autonärrin geblieben.
Sie ist Star und Showgirl bei einer Autoshow, hat viele Fans, ist
darüberhinaus schwanger und sie tötet Menschen. Vor allem dann, wenn die
Opfer es auf Zärtlichkeiten abgesehen haben. Es gibt auch schon ein
Phantombild, dass Alexia sehr ähnlich sieht. Daher entsteht die Idee
sich eine neue Identität zu schaffen, als sie alte Fotos von seit Jahren
vermissten Kindern im TV sieht, eine Computersimulation versucht die
Verschwundenen so zu zeigen wie sie jetzt nach Jahren als junge
Erwachsene aussehen könnte. Sie schneidet sich das Haar, bricht sich die
Nase und versteckt die Brüste und so gibt sie sich als der vermisste
Adrien aus, dessen Eltern ihn immer noch suchen. Obwohl eher wenig
Ähnlichkeit zwischen den Bild von Adrien und Alexia (als junger Mann)
bestehen, ist sich der Vater Vincent (Vincent Lindon) ganz sicher, dass
der Junge, der sich jetzt bei der Polizei als Adrien gemeldet hat sein
leiblicher Sohn ist. Der Feuerwehrhauptmann weigert sich sogar einen DNA
Test durchzuführen, der Sicherheit bringen könnte. Seine Kollegen (u.a.
Lais Samamee als eifersüchtiger Rayane) wundern sich über den
wiedergefundenen Sohn, der sehr feminine Züge an sich hat....
"Titane" beschreibt nicht nur diesen Wechsel von Identität und
Geschlecht, sondern zeigt beim bitteren Ende den körperlichen Zerfall
eines Menschen, der durch diese Titanplatte geprägt war. Die
Metallplatten haben mehr und mehr die Oberhand gewonnen. Die logische
Konsequenz ist der Tod. Das Kind, dass geboren wird, hat auf dem Rücken
Titanflecken.
"Titane" wurde mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet. Die
Jury wollte die "Diversität" belohnen - doch alleine unter diesem
Aspekt muss ein Film noch lange nicht gut sein. "Titane" ist aber
gesamthaft sehr geglückt, auch wenn der Zuschauer provokatisch gefordert
wird. Bei der Cesar Verleihung gabs 4 Nominierugen, für den
europäischen Filmpreis sogar fünf Nominierungen - die Auszeichnung gab
es für das beste Make Up und Hairstyling. Die beiden Hauptdarsteller
Agathe Rouselle und Vincent Lindon waren nominiert, gingen am Ende
jedoch leer aus. "Titane" ist der zweite Spielfilm der Filmemacherin.
2016 erschien mit "Raw" ein ebenso interessantes Debüt.
Bewertung: 8,5 von 10 Punkten.
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