Regie: Narciso Ibanez Serrador
Die Residenz...
Dem 1935 in Uruguay geborenen Regisseur Narciso Ibanez Serrador wurde das Interesse am Theater und am Film bereits in die Wiege gelegt. Sein Vater war Theaterdirektor und seine Mutter die argentinische Schauspielerin Pepita Serrador. 1947 siedelte die Familie nach Spanien um, dort drehte er in den 60er und 70er Jahren - nachdem er vorher fürs spanische Fernsehen Filme drehte - zwei große Klassiker des spanischen Horrorfilms. Sowohl "Das Versteck" aus dem Jahr 1969 als auch "ein Kind zu töten", der 1976 realisiert wurde, waren extrem einflussreich und haben selbst heute noch keinen Staub angesetzt. Beweisbar schon alleine deshalb, weil im Jahr 2013 ein Remake herausgebracht wurde, dass sich beinahe 1:1 an das Original hält, aber leider die Atmosphäre des Originalfilms nicht ins Hier und Jetzt transportieren konnte. "Das Versteck" gilt bei vielen Kritikern als Insprirationsquelle für Dario Argento und dessen Klassiker "Suspiria", bei dem ebenfalls in einem Mädcheninternat unheimliche Dinge vor sich gehen. Erinnert wird der Zuschauer auch an Peter Weirs "Picknick am Valentinstag" - auch dort wird die sexuelle Repression dargestellt.
Man kann auch von einem spanischen Giallo sprechen, denn in diesem Mädcheninternat geht ein Serienkiller und Psychopath um Ausserdem inszeniert Serrador seine Morde langsam und blutig. Und die Residenz selbst ist eine Meisterleistung der Ausstattung. Schöne und schaurig schöne Kamerafahrten durch die langen Korridore des Hauses verdankt der unheimliche Film den Kameramännern Manuel Berenguer und Godofredo Pacheco. Und das schöne daran ist, dass unter diesem geheimnisvollen Haus sich ein düsteres und geheimnisvolles Labyrinth verbirgt. Für den Soundtrack zuständig war der Spanier Waldo de los Rios, der zu dieser Zeit einer der bekanntesten Musiker Spaniens war. Er kam sogar mit seinem "Mozart No. 40" europaweit in die Charts und war 1971 Composer des spanischen ESC-Beitrags "En un mundo nuevo" von Karina.
Die Geschichte spielt irgendwann Ende des 19. Jahrhundert, Anfang des 20. Jahrhunderts in Südfrankreich. Die 18jährige Theresa Garan (Cristina Galbo - bekannt auch aus dem Wallace Classic "Das Geheimnis der grünen Stecknadel") wird von einem gut situierten Bekannten ihrer Mutter in das etwas abgelegene Mädcheninternat der gestrengen Madame Fourneau (Lilli Palmer) gebracht. Diese herrscht dort mit eiserner Hand über die Mädchen. Die meisten ihrer Schülerinnen gelten als unangepasst und schwierig. Die Familie ist auch damit einverstanden, dass eine gute Erziehung auch mal den Stock braucht. Doch auch Einzelhaft und Auspeitschungen gehören zum dortigen Züchtigungsprogramm. Auch mit einer gewollten Rangordnung schafft man Ruhe - so ist die Schülerin Irene Tupan (Mary Maude) eine Vertrauensperson für die Direktorin, sie hat auch als einzige Schülerin einen Schlüssel. Die Mädchen bedauern vor allem, dass sie ihre sexuellen Lüste nur heimlich ausleben können. Der Arbeiter, der alle 2 Wochen vorbeikommt, ist der Nutznießer dieser Sehnsüchte. Die Mädchen haben ein System entworfen, wer an diesem besagten Tag den Arbeiter heimlich im Stall aufsuchen darf. Auch die junge Isabel (Maribel Martin) hat ein Geheimnis. Sie ist in Luis (John Moulder Brown), den Sohn von Madame Fourneau verliebt. Heimlich treffen sich die jungen Leute. Denn die Mutter verbietet ihrem Spößling den Umgang mit diesen "unreinen" und "schlechten" Mädchen. Sie wünscht sich für ihren Sohn einmal eine Frau, die ihn genauso beschützt, wie sie es jetzt tut. Bald verschwindet Isabel. Aber nur der Zuschauer weiß, dass das junge Ding einem Schlitzer zum Opfer gefallen ist...
So geht das Leben im Internat weiter als bisher - ein Mädchen ist halt wieder mal fortgelaufen. Vermutlich wegen des Strengen Regiments. So wird das Verbrechen erst am Schluß richtig aufgeklärt. Und als Zuschauer hat man einige in Verdacht, aber am Ende setzt sich doch die am logischsten erscheinende Variante durch. Also vielleicht ein bisschen vorsehbar, aber dennoch bietet der Film immer wieder neue Wendungen, die überraschen. So wechseln auch die Hauptfiguren. Während Theresa sehr lange "die" Protagonistin ist, wird irgendwann gegen Ende des Films die durchtriebene Irene zur Hauptfigur. Denn sie beobachtet etwas, was so interessant ist, dass sie nicht mehr schlafen geht. "Das Versteck" ist eine durchgehend gelungene Mischung aus Gothic Horror, Giallo und Exploitation und die Szenen sind immer etwas ambivalent. Da wird gebetet mit diesen schwer erziehbaren Mädchen und gleichzeitig findet in einem geheimen Zimmer das Züchtigungsprogramm statt. Lili Palmer schafft es, dass ihre Figur nicht nur böse angelegt sind, sondern es gibt immer diese Widersprüchlichkeit und der Widerhaken, der dann wieder ganz neue Charaktereigenschaften offenbart. Klasse auch die Darstellung des jungen John Moulder Brown, der ein Jahr später in dem deutsch-englischen Coming of Age Meisterwerk "Deep End" von Jerzy Skolimowski eine hervorragende Schauspielerleistung zeigte. Und "Das Versteck" erstrahlt immer noch in zeitloser Boshaftigkeit, bis zum Ende herrscht bei dem spanischen Meisterregisseur Morbidität und Bedrohlichkeit.
Bewertung: 9,5 von 10 Punkten.
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