Sonntag, 24. Mai 2015

Requiem





















Regie: Hans Christian Schmid

Der Exorzismus der Anneliese Michel...

"Requiem", die heilige Messe für Verstorbene, ist gleichzeitig auch der Titel des 2006 durch Hans Christian Schmid gedrehten Film, der das Schicksal der Anneliese Michel zeigt. Ihr Fall ging als "Exorzismus von Kingenberg" in die Geschichte der großen Strafprozesse in Deutschland ein. Die junge Frau, die 1952 geboren wurde, starb noch nicht mal 24 jährig am 1. Juli 1976 in ihrem Elternhaus in Klingenberg am Mai. Die Studentin starb an den Folgen extremer Unterernährung - Monate zuvor wurde an ihr von zwei katholischen Priestern ingesamt 67 Mal der große Exorzismus vollzogen.  Die Ereignisse veränderten die Praxis der Ausübung der Teufelsaustreibung innerhalb der römisch-katholischen Kirche Deutschlands.
Bereits 2005 - also ein Jahr vor "Requieum" - nahm sich auch Hollywood diesem tragischen Fall an. Aus Anneliese wurde bei Scott Derrickson "Der Exorzismus der Emily Rose". Schmid zieht allerdings seine filmische Variante merklich anders auf. Bei ihm gibt es keine Zugeständnisse an das Horrorgenre - vielmehr setzt er auf das Psychogramm einer kranken Frau, die felsenfest davon überzeugt ist besessen zu sein. Während der Zuschauer sehr schnell das wirkliche Krankheitsbild der Psychose und Schizophrenie entdeckt hat.
Im Film heißt Anneliese anders: Die Abiturientin Michaela Klingler (Sandra Hüller) lebt Mitte der 1970er Jahre in ihrem extrem religiös geprägten Elternhaus in der süddeutschen Provinz. Sie hat schon seit  langer Zeit epileptische Anfälle und muss deswegen auch ständig Medikamente einnehmen. Die Mutter (Imogen Kogge) lebt in ständiger Angst und vollzieht das große Behütungsprogramm, das extrem einengend ist - zudem kommt auch noch deren Frömmigkeit immer wieder ins Spiel. Der Vater (Burkhart Klausner) ist da weltoffener und liberaler. Er unterstützt seine Tochter auch wo er kann, vor allem als sie ein Pädagogikstudium in Tübingen beginnt. Die Mutter leistet zuerst massiven Widerstand gegen den Umzug in die Stadt, wo der Teufel allerhand Gefahren für labile Teenager bereit hält. Michaelas kleinere Schwester Helga (Friederike Adolph) ist traurig über den Auszug. In der Stadt freundet sie sich mit Hanna (Anna Blomeier) an, eine Kommilitonin, die aus derselben Kleinstadt stammt. Auch eine Liebesbeziehung zu dem Chemiestudenten Stefan (Michael Reinke) bahnt sich an. Allerdings veschweigt sie diese Liebe ihrer Familie zuhause. Tatsächlich scheint die junge Frau dem Alltag in der Stadt - ohne die Unterstüztung der Familie - nicht gut gewachsen zu sein. Immer wieder sucht sie Kraft im Gebet und sucht das Gespräch zu zwei katholsichen Priestern, dem jungen Martin Borchert (Jens Harzer), der sehr schnell erkennt, dass das Stimmenhören der jungen Frau vom Satan persönlich stammen muss sowie der ältere, erfahrene Pfarrer Landauer (Walter Schmidinger), der eigentlich nichts von der Teufelsaustreibung hält, sondern es für wichtig erachtet erstmal die Symptome psychiatrisch abzuklären. Doch auch die Betroffene selbst glaubt an den Teufel, der in sie eingefahren ist...


 leider endet der Film noch vor dem Höhepunkt dieser vollzogenen religiösen Riten. Ein letztes Treffen mit der Freundin, die ganz erschrocken über den Allgemeinzustand von Michaela ist, weil diese kaum mehr essen will. Ein kleiner Spaziergang erschöpft die Frau sehr. Im Abspann wird dann darauf hingewiesen, dass Michaela einige Wochen später an Unterernährung starb. Das große Plus des Films sind eindeutig die starken Schauspielerleistungen. Nicht nur Hauptdarstellerin Sandra Hüller konnte einen deutschen Filmpreis gewinnen, uach ihre Filmmutter Imogen Kogge wurde mit dem Preis ausgezeichnet. Klausner nominiert. Drei weitere Filmpreise konnten gewonnen werden: Das Filmband in Silber - hier musste sich der Film von "Das Leben der Anderen" geschlagen geben. Ausserdem Sieg für das beste Kostümbidl und für die beste Tongestaltung.
Im Vergleich zum etwas albernen "Der Exzorzismus von Emily Rose" wirkt "Requiem" ernster und kompetenter. Aber möglicherweise wird man die Position vermissen. Der Zuschauer bekommt die Ereignisse in einem gewissen Dokustil serviert und muss sich sein eigenes Bild machen. Klar wird, dass versäumt wurde zuerst mal professionelle ärztliche Hilfe zu holen. Aber die Zeiten waren damals wohl anders. Vielleicht gerade auf dieser ungeheuer populären Welle, die Friedkins "Exzorzist" im Kinojahr 1973 gestreut hatte, wurde die Saat gelegt, dass die katholische Kirche den Exzorzismus wieder vermehrt ausüben wollten. Wer weiß...jedenfalls erschien es der gläubigen Familie auf dem Land plausibler den Pfarrer einzuschalten als den Psychiater. Letzteres machte vielleicht doch noch mehr Angst. Gut herausgearbeitet wurde das Klima dieser Familie. Die Mutter in ständiger Angst, dass die Tochter nicht den Weg der Sünde einschlägt. So wird auch das Normalste und Natürlichste der Welt - die Freundschaft zu einem jungen Mann - verheimlicht und tatsächlich sind die ersten Statements die Michaela von ihren Stimmen vernimmt "Dreckschleuder" und "Hure". Eine Abspaltung wird vollzogen und typische Symptome der Krankheit Schizophrenie sind sichtbar., werden aber kollektiv missgedeudet.
So bleibt an verstörendes, gut gespieltes Psychogramm, dass aber viele Fragen offenöässt, interessante Facetten des Falls einfach ignoriert und mit vagen Statements hinter den Möglichkeiten bleibt.

Bewertung: 7 von 10 Punkten.

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