Regie: Gaspar Noe
Explodierender Tanz....
"Climax" von Gaspar Noe fängt mit einer der besten Tanzszenen der
Filmgeschichte an. Zu dem Sound von Cerrones "Supernature" performt eine
Gruppe von französischen Tänzerinnen und Tänzer eine total dynamische
Nummer mit viel Drive, die den kleinen heruntergekommenen Ballsaal
beinahe schon zum Explodieren bringt. Kurz vorher hat der Filmemacher
sein Werk mit dem Schluß - einer Szene vom Ende der rauschenden Party -
begonnen. Es folgen die Videoaufnahmen dieser jungen begeisterten
Tänzer, die sich alle auf die kommende Tournee in die USA freuen.
Emmanuelle ((Claude Gajan-Maull) ist die Choreographin der Gruppe, sie
hat ihren kleinen Jungen Tito (Vince Galliot Cumant) dabei, der auch
schon tanzend auf dem Parkett wirbelt. DJ Daddy (Kiddy Smile) ist für
die Vibes zuständig, er entscheidet sich für Songs wie "Pump up the
Volume" von Mars, "Born to be alive" von Patrick Hernandez" oder "The
Worlds" von Suburbian Knight.
Die junge Psyche (Thea Carla Schott) kommt aus dem
drogenverseuchten Berlin und findet Paris nicht ganz so chaotisch. Selva
(Sofia Boutella) wird von David (Roman Guillermic) angebaggert, der den
Ruf hat mit jedem Mädchen der Gruppe schon was gehabt zu haben. Lou
(Souheila Yacoub) ist schwanger und Riley (Lakdhar Dridi) ist schwul -
allerdings noch Jungfrau. Einen Zustand, den er vielleicht heute Nacht
endlich verlieren würde. Zumindest ist er an David interessiert. Die
Geschwister Taylor (Taylor Kastle) und Gazelle (Giselle Palmer) zanken
sich ständig, weil Taylor als der ältere Bruder zu sehr Aufpasser
spielt. Ausserdem dabei Ivana (Sharleen Temple), Lea (Lea Vlamos), Alaia
(Alaia Alsafir), Rocket (Kendall Mugler), Omar (Adrien Sissoko), Bats
(Mamadou Bathily), Alou (Alou Sidibe), Ashley (Ashley Biscette), Mounia
(Mounia Nassangar), Sila (Tiphanie Au), Sara (Sarah Betala), Cyborg
(Alexandre Moreau), Naab (Naab) und Strauss (Strauss Serpent). Macht
zusammen 21 exzellente Tänzer, die sich ständig bewegen und ab einem
gewissen Zeitpunkt dieser Nacht sich hemmungslos der Raserei hingeben.
Schuld könnte die Sangria sein, denn bald vermuten die Tänzer, dass
irgendjemand dort was reingetan hat. Ein höllischer und kollektiver
LSD-Trip macht sich immer mehr breit. Ein Reigen des Rausches, der in
absoluter Leere endet - oder besser gesagt in einer Katastrophe, denn
nicht alle überleben die Party, die sich von Spass und Lebensfreude in
Paranoia und Aggression verwandelt.
Die Choreographie die Gaspar Noe hier aufbietet ist phasenweise
atemberaubend und sein Film - wie kann es anders sein - sprengt in
Aufbau und Ablauf einfach mal wieder die Grenzen des Kinozuschauers.
Irgendwann läuft mitten im Film plötzlich der Vorspann ab und
stellt die Performer mit Namen vor - bei Noe ist alles etwas anders. Er
hat aber diesen einmaligen Riecher für Rhythmus und so bleibt die aus
dem Ruer laufende Tanzparty immer in Action. Es braucht nicht mehr als
diesen Ballsaal und die etwas klaustrophobisch wirkenden Gängen, durch
die die Tänzer laufen. Immer mehr hilflos, da sie nicht wissen, wie
diese Droge weiter wirkt. Sie geben sich ihren Gefühlen hin, können ja
auch nicht anders in dieser Ohnmacht. Dabei ist die Stimmung natürlich
auch sexuell aufgeladen. Das Tanzen entwickelt sich und verschmilzt zu
einer formvollendeten Leidenschaft. Eigentlich sind alle Akteure in
gewisser Weise egozentrische Einzelkämpfer, doch ihre Körper bilden
gemeinsam eine homogene Masse. Doch sie sind in diesem Trip gefangen und
es gelingt ihnen nicht diese psychoaktiven Geister zu vertreiben. Also
bleibt nur zwei Möglichkeiten: Abfeiern oder zu verzweifeln.
Wie Luca Guadagninos Remake von "Suspiria" setzt auch Noe auf den
Tanz. Und die tanzenden Amateure hatten offenkundig einen Heidenspass
sich zu präsentieren.
Die Mischung aus Musical und Bodyhorror behandelt im Rauschzustand elementare Themen wie Leben, Sexualität und Sterben.
Regie: 9 von 10 Punkten.
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