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Donnerstag, 10. November 2022

Der Mann, der lacht


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Paul Leni

Gwynplaines tragische Geschichte...

Die Hollywoodkarriere des deutschen Filmregisseurs und Szenebildners Paul Leni war leider nur von kurzer Dauer. Leni starb bereits im Jahr 1929 im Alter von 44 Jahren an einer Blutvergiftung. Im Jahr 1927 fuhr er nach Hollywood, da ihn der Filmproduzent Carl Laemmle engagiert hatte. Die Kunst des Filmemachers bestand darin optische und inszenatorische Innovationen des deutschen expressionistischen Filmstils in seine dortigen Arbeiten einzupflegen. So wurde auch "The Cat and the Canary" ein guter Erfolg. Da die Universal Pictures mit Filmen wie "Der Glöckner von Notre Dame" oder "Phantom der Oper" ebenfalls gute Kasse machte, ermutigte das Studio Carl Laemmle dazu, ein Projekt mit ähnlichem Ambiente zu produzieren. Laemmle entschied sich für Victor Hugos Roman "L´Homme qui rit". Als Regisseur wurde Leni verpflichtet und auch die Hauptrolle in "The Man who laughs" ging an einen Deutschen: Conrad Veidt, der bereits durch "Das Cabinet des Dr. Caligari" und Paul Lenis "Wachsfigurenkabinett" internationale Berühmtheit erlangte, bekam die Hauptrolle als immer lachender Gwynplaine. Hugos Roman - eher eine tragische und romantische Geschichte - wurde durch den stark expressionistisch geprägten Filmstil so durchtrungen, dass er phasenweise wie ein Horrorfilm wirkt. Aufgrund der tragischen Hauptfigur sind Filmverwandte schnell gefunden. Man wird an Cocteaus "Die Schöne und das Biest" erinnert, auch Ähnlichkeiten mit der Figur des buckligen Quasimodo aus "Der Glöckner von Notre Dame" (ebenfalls ein Roman von Victor Hugo) sind schnell zu erkennen. Bereits im Juni 1927 fertiggestellt, kam er erst im Oktober 1928 in die Kinos. Die Geschichte beginnt in England im Jahr 1690. Es ist die Regierungszeit von König James II (Sam de Grasse), der von seinem hinterhältigen Hofnarren Barkilphedro (Brandon Hurst) in Kentniss gesetzt wird, dass sein Untertan Lord Clancharlie (ebenfalls Conrad Veidt) ihn beleidigt hat und nun endlich gefangen genommen wurde. Der Mann wird zum Tod in der eisernen Jungfrau verurteilt und sein kleiner Junge Gwynplaine (Julius Molnar Jr) wird von einen Chirurgen ein fieses Grinsen ins Gesicht geschnitzt. Der Junge soll sich durch sein entstelltes Aussehen ewig über seinen törichten Vater lustig machen. Allein auf sich gestellt kämpft der Junge im Schneesturm ums Überleben und rettet ein kleines Baby, dessen Mutter durch die Kälte erfroren ist. Die beiden kInder werden von Ursus (Cesare Gravina), einem gütigen Schausteller aufgenommen. Gemeinsam mit dem Hauswolf Hom ist nun so etwas wie eine echte Familie entstanden. Das kleine Mädchen nennt er Dea, sie ist blind. Jahre später ziehen die erwachsenen Gwynplaine (Conrad Veidt) und Dea (Mary Philbin) durch die Lande und führen die stücke von Ursus auf, die so ähnlich sind wie die von Shakespeare - nur besser. So zumindest kündigt Ursus sein Schauspiel immer an. Gwynplaines eingefrorenes Lächeln hat ihn auf der Bühne zum Publikumliebling gemacht und er hat auch das Herz der blinden Dea längst erobert. Doch innerlich schämt sich der Mann für sein entstelltes Aussehen. Anstelle von James II regiert nun Königin Anne (Josephine Crowell) das Land. Als sie erfährt, dass dieser Sohn des hingerichteten Adligen noch lebt, will sie das Unrecht von damals wieder gut machen. Da sein rechtmäßiger Besitz und Erbe sich aber mittlerweile im Besitz der attraktiven Herzogin Josiana (Olga Baclanova) befindet, soll durch eine Heirat der beiden alle Parteien zufriedengestellt werden. Josiana besucht eine Aufführung von Ursus und tatsächlich ist sie von Gwynplaine sehr beeindruckt - einerseits regelrecht abgestoßen, andererseits aber sexuell angezogen. Gwynplaine bemerkt die Gefühle der Besucherin und scheint nun ebenfalls Feuer und Flamme für die schöne Frau zu sein...






Am Ende gibts im Film ein HappyEnd - Hugos Roman endet leider tragisch. Obwohl in den USA gedreht, wird "Der Mann, der lacht" zu den wichtigen Werken des deutschen Expressionismus gezählt. Die Stimmung ist beinahe schon morbide und die Geschichte gewinnt auch durch die starken Bilder (Kameramann: Gilbert Warrenton). Die Atmosphäre reduziert die melodramatischen Überzeichnungen der Akteure, was aber damals an Gesten sehr üblich war. Conrad Veidt zeigt einmal mehr seine Wandlungsfähigkeit.





Bewertung: 8 von 10 Punkten. 

Orlacs Hände


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Regie: Robert Wiene

Der Pianist und der Mörder...

"Orlacs Hände" wurde in Wien gedreht und ist ein Film des deutschen Stummfilmregisseurs Robert Wiene, der als Macher des expressionistischen Meilensteins "Das Cabinett des Dr. Caligari" aus dem Jahr 1919 zu Weltruhm kam.
Es folgen "Genuine" im Jahr 1920, "Raskolnikow" im Jahr 1923 und "Orlacs Hände" ein Jahr danach. Nach dieser Zeit schuf er eher harmlose leichte Filme.
"Orlacs Hände" ist eine interessante Mischung aus Horror- und Kriminalfilm, wurde später auch noch einige Male verfilmt, u.a. 1935 von Karl Freund unter dem Filmtitel "Mad Love".
Der Film bekam keine Jugendfreigabe. Es existierte sogar ein Antrag des sächsischen Innenministeriums, das den Film verbieten wollte. Als Grund wurde eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angeführt. So sehr zeige der Film die Ermittlungsmethoden der Polizei wie beispielsweise die Abnahme von Fingerabdrücken. Dies würde doch den bösen Buben ermöglichen bei ihren zukünftigen Taten viele Fehler zu vermeiden, was schließlich auch die Erfolgsquote bei der Aufklärung der Verbrecher mindert.
Für die Ausübung seiner Karriere als erfolgreicher Konzertpianist ist Paul Orlac (Conrad Veidt) auf seine Hände angewiesen. Doch alles ändert sich nach einer schrecklichen Kollison zweier Züge. Orlac war Passagier und überlebt diesen schrecklichen Eisenbahnunfall zwar, aber seine Hände hat er verloren. Seine Frau Yvonne (Alexandra Sorina) bittet den behandelnden Chirurgen Dr. Serra (Hans Homma) alles zu versuchen um die wichtigen Körperteile zu retten. Dieser entscheidet sich schließlich zu einer gewagten Operation, indem er Orlac die Hände des kürzlich hingerichteten Mörders Vasseur annäht. Der weiß zuerst nichts davon wessen Hände er nun hat. Aber er fühlt sich irgendwie verfolgt durch einen Mann (Fritz Kortner), der ihm immer wieder (im Traum?) erscheint. Als er irgendwann den Chirurgen zur Rede stellt und die Wahrheit erfährt, droht der Pianist irgendwie wahnsinnig zu werden. Er will mit diesen Mörderhänden weder Konzerte geben, noch seine geliebte Frau jemals wieder zärtlich berühren. Dadurch kommt das Paar in finanzielle Not, die Gläubiger bestehen darauf, dass die Schulden endlich beglichen werden. Imemrhin kann Yvonne einen Tag Aufschub erwirken. Sie besucht Pauls extrem reichen Vater (Fritz Strassny), der seinen Sohn abgrundtief hasst. Daher ist das Betteln nach Geld auch vergebens. Dennoch fleht Yonne am Abend ihren Mann an selbst zu dem bösen Vater zu gehen, um ihm noch einmal darum zu bitten. Als Paul dort eintrifft, liegt sein Vater erstochen auf dem Boden. Er wurde ermordet. Er ruft die Polizei, die feststellt, dass die Fingerabdrücke des verstorbenen Mörders Vasseur überall zu finden sind...




"Orlacs Hände" ist mit den beiden Stummfilmstars Conrad Veidt und Fritz Kortner, der den Gegenspieler darstellt, hochkarätig besetzt und gilt als frühes Beispiel für einen traumatisierten "Untoten". Der avantgardistische Soundtrack stammt von Johannes Kalitzke, das vom Stuttgarter Kammerorchester eingespielt wurde. Es wurde eine Partitur der Ängste. Die Figur des Paul Orlac ist von Angstneurosen und Projektionen geprägt, die ihn in eine albtraumhafte Stimmung versetzen, aus der es fast unmöglich erscheint wieder herauszufinden. Carmen Cartellini ist als Dienstmädchen Regine zu sehen, eine Schlüsselfigur dieser Geschichte. Der Film basiert auf dem Roman von Maurice Renard - einer der ersten Romane zum Thema "Transplantationen".





Bewertung: 8 von 10 Punkten. 
 

Freitag, 3. April 2020

Das Wachsfigurenkabinett


















Regie: Paul Leni

Der Dichter und drei Tyrannen...

Der deutsche Kinematheksverbund wählte "Das Wachsfigurenkabinett" von Paul Leni (mit Beteiligung von Leo Birinski) aus dem Jahr 1924 auf den 43. Rang der bedeutendsten deutschen Spielfilme. Paul Leni war auch für die Bauten verantwortlich. Hollywood Mogul Carl Laemmle entdeckte den deutschen Filmemacher bei Berlin Reise und nahm ihn für die Universal Pictures unter Vertrag. Lenis erster Hollywoodfilm war "The Cat and the Canary" war ein großer Erfolg im Filmjahr 1927. Leider verstarb der deutsche Regisseur bereits am 2. September 1929 in Los Angeles mit nur 44 Jahren an einer Herzhautentzündung.
Filmgeschichtlich gehört "Das Wachsfigurenkabinett" zu den bedeutendsten expressionistischen Vertretern, die in der Weimarer Republik entstanden sind und lässt sich auch in die s.g. "Tyrannenfilme" jener Zeit wie "Das Cabinett des Dr. Caligari (Robert Wiene, 1919), Nosferatu (Friedrich Wilhelm Murnau, 1922) oder "Dr. Mabuse, der Spieler (Fritz Lang, 1922) einordnen. Diese Filme entstanden alle am Ende einer deutschen Epoche, in der sich die Volksseele in das Gehäuse des Innern zurückgezogen hat und langsam wieder die Normalität zurückkehrte. Natürlich nicht für lange, wie uns die Geschichte gelehrt hat.
Ein junger aufstrebender Schriftsteller (Wilhelm Dieterle - der später als Hollywood-Regisseur William Dieterle Karriere machte) soll für den Beistzer eines Wachsfigurenkabinetts (John Gottowt) schaurige und publikumswirksame Geschichten zu den ausgestellten Figuren erfinden. Natürlich fällt dem jungen Schreiber sofort die hübsche Tochter Olga Belajeff) des Besitzers auf. So nimmt die erste Geschichte in der Phantasie des Schreibers bereits Gestalt an, denn er sieht sich selbst in Gedanken als den fleißigen Bäcker Assad, der mit der schönen Zarah (natürlich Olga Belajeff) verheiratet ist. Doch er fällt - ohne es zu wollen - in Ungnade beim ersten Tyrannen unserer Geschichte: Dem dicken Sultan Harun al Raschid (Emil Jannings). Obwohl im Laufe der Handlung zuerst der Sultan den Kopf von Assad will und später sich das Opfer-Täter Schema wendet, weil Assad den Sultan töten will, bietet die Geschichte am Ende ein Happy-End. Weniger glücklich ist der Ausgang der Geschichte vom zweiten Tyrannen - es ist der misstrauische Zar Iwan der Schreckliche (Conrad Veidt), Der ist ständig von potentiellen Verrätern umgeben und als sein Giftmischer (Ernst Legal) denunziert wird, hat auch diesem die letzte Stunde geschlagen. Genau wie allen anderen Gefangenen im Verließ - wenn deren Sanduhr abgelaufen ist. Als der Zar zu einem Hochzeitsfest der Bojaren eingeladen wird, kommt es zu einem Attentat, das der Zar mit List durchkreuzte. Iwans Ratgeber reden ihm dann ein, dass er tatsächlich auch vergiftet wurde, wenn eine Sanduhr, auf dem sein Name steht, abelaufen ist. Vor Angst wird der Tyrann wahnsinnig, wendet pausenlos die Uhr, um das tödliche Schicksal abzuwenden.
Die dritte Episode ist die kürzeste und zeigt den Dichter übermüdet vor seinem Manuskript - doch dann erwacht die Wachsfigur von Jack the Ripper (Werner Krauss)...der Dichter und sein Mädchen hasetn auf ihrer Flucht an einem ständig kreisenden Karussel vorbei, während der irre Serienkiller sie in ihrem Traum verfolgt. Für damalige Zeit eine meisterhafte Wirkung des Bildes....




Kameramann von "Das Wachsfigurenkabinett" war der Schweizer Helmar Lerski. Der Film war bald nach seiner Aufführung so gut wie verloren. Das das Originalnegativ des Films 1925 auf dem Pariser Zollamt verbrannte, war die Restaurierung des Films auf zeitgenösssische Kopien angewiesen. So wurde das Material des British Film Institute National Archive, der Cinematheque francaise, dem Narodny filmovy archiv Prag und der Cohen Collection bei L´Immagine Ritrovata Bologna zusammengetragen. Das Hauptelement dieser aufwendigen Restaurierung war eine direkt von Originalnegativ gezogene, viragierte und getonte zeitgenössische Kopie auf Cellulose-Nitrat-Basis, die die schönste Zeicnung und Detailwiedergabe zeigte. In der ersten Episode sind es vor allem die Bauten, die überzeugen. So wirkt der Sultanspalast beinahe schon wie ein riesiger, labyrinthhafter Ameisenbau. Auch die Bauten von Episode 2 - die Folterkammern im Kellergewölbe - sind beeindruckend.




Bewertung: 8 von 10 Punkten.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Das Cabinet des Dr. Caligari

























Regie: Robert Wiene

Die Mutter aller Horrorfilme in überwältigender Restauration...

Der junge Francis (Friedrich Feher) sitzt mit einem anderen Mann auf einer Parkbank. Als er eine Frau (Lill Dagover) vorbeigehen sieht, erklärt er "Das war meine Braut und was ich erlebt habe, ist noch viel seltsamer als allws, was Ihnen begegnet ist, ich werde es Ihnen erzählen". In dieser Rückblende tut sich vor dem Auge des Zuschauers der Vorhang auf in die norddeutsche Kleinstadt mit dem Namen Holstenwall. Dort ist gerade Jahrmarkt und man sieht das Treiben im Städtchen verzerrt durch schräge Linien, schiefen Hausfassaden und Wände, geneigte Ebenen, unklare Wege oder schräg hängende Laternen. Dort lebt Francis und wird von seinem besten Freund Alain (Hans Heinrich von Twardowski) überredet sich ins Vergnüngen zu stürzen. Auf dem Jahrmarkt selbst gehört auch Dr. Caligari (Werner Krauss) zu den Schaustellern und Akteuren. Vom städtischen Beamten, der ihn sehr hochmütig und mit Verachtung behandelt hat, bekam er die Genehmigung, dass er sein Medium Cesare (Conrad Veidt), einen Somnambulen, präsentieren darf. Dieses zombieartige Wesen verbringt sein Leben in einem todesähnlichen Schlaf und kann nur durch die hypnotische Beeinflussung seines Meisters Caligari zum Leben erwachen. Das Publikum nähert sich neugierig. Noch während der Jahrmarkt im Gange ist, wird der Beamte, der die Genehmigung ausstellte, tot aufgefunden. Ein grässlicher Mord in der Kleinstadt, doch Francis und Alain befinden sich im Zuschauerraum und sehen die Erweckung des geheimnisvollen Mediums. Der Doktor gibt bekannt, dass Cesare in der Lage ist sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu sehen. Alain stellt ihm die Frage "Wie lange lebe ich noch ?", worauf das Medium "Bis zum Morgengrauen" antwortet. Ein Schock im ersten Moment, doch die beiden jungen Männer glauben der Wahrsagerei natürlich nicht und treffen auf dem Heimweg die hübsche Jane (Lil Dagover), in die sich beide Männer verlieben. Sie bemerken es und beschliessen, dass Jane entscheiden soll, wer ihr Herz erobern kann, Freunde wollen sie in jedem Fall bleiben. Dann ist Nacht. Am Morgen ist Alain tatsächlich tot. Wieder mit einem Messer, der zweite Mord innert weniger Stunden. Francis verdächtigt Caligari und beobachtet ihn. Dieser wacht neben einem sargähnlichen Kasten, in dem Cesare liegt. Dann geschieht ein dritter Mordversuch, der in letzter Sekunde von der Polizei vereitelt wird. War der Verdacht unbegründet ? Jedenfalls sitzt der vermeintliche Mörder im Gefängnis, aber dennoch wird Jane von Cesare in ihrem Bett angegriffen...



Am Ende einer wilden Verfolgungsjagd flieht Caligari in ein Irrenhaus. Francis scheint am Ziel seiner Ermittlungen im Fall Caligari angelangt zu sein: Es stellt mit Zeugen fest, dass Caligari mit dem Direktor identisch ist.  Mit Hilfe hypnotischer Beeinflussung wollte der wahnsinnige Wissenschaftler die totale Manipulierbarkeit von Somnambulen nachweisen. Es bleibt allerdings ungeklärt, wie aus dem Diretor Caligari werden konnte, der im 18. Jahrhundert in Italien lebte und mit seinem Medium die Dörfer bereiste. Auch damals gabs immer wieder Morde, die in diesem Umfeld verübt wurden. Als Francis seine Erzählung beendet hat, geht er in das Anstaltsgebäude. Er begegnet dort Cesare, dem Direktor, auch seiner Braut Jane. Der Direktor sieht nun nicht mehr verrückt aus, sondern macht einen ganz normalen Eindruck. Francis selbst gehört zu den Insassen des Irrenhaus und unterliegt den dort geltenden Gesetzen der Realität. Der Direktor erklärt seinen Helfern, dass Franics ihn für diesen verstorbenen Caligari hält, dass er ihn aber nun, wo er die Krankheit kenne, den Mann heilen kann...,
Das hervorstechendste Merkmal dieses bahnbrechenden, expressionistischen Stummfilms aus dem Jahr 1920 ist weder die Geschichte noch die Thematik, sondern der Dekor. Ob aus ökonomischen oder künstlerischen Beweggründen, es war jedenfalls ein gewaltiger Schritt von den üblich naturalistischen Bauten zu dieser völligen Künstlichkeit der Welt des Doktor Caligari. Die Ausstatter Hermann Warm, Walter Reimann und Walter Röhrig waren Mitglieder der Berliner "Sturm"  Gruppe und machten aus der finanziellen Not der Decla Filmgesellschaft eine innovative Tugend. Sie erstellten statt aufwendiger Kulissen aus Pappe, Leinwand und Sperrholz eine unnaturalistische Alptraumvision. Dadurch, daß alles irreal, gestaucht, kubistisch, schief, eben anders erscheint, akzeptiert man als Zuschauer selbst einen Jahrmarkt, der eigentlich nur aus einem Leierkastenmann, einem Treppengeländer, einigen angedeuteten Zelten, zwei stilisierten Karussells, diversen durchs Bild strömenden Statisten und einem gemalten Hintergrund besteht. Zur Amtsstube im Rathaus führen kafkaeske, endlos erscheinende Korridore. Autoritäten sitzen auf absurd hohen Stühlen, Schatten auf Wänden und Gesichtern sidnd aufgemalt. Besonders das fingerdicke Makeup von Conrad Veidt wirkt enorm geisterhaft.
"Das Cabinet des Dr. Caligari" ist ein Film von Robert Wiene aus dem Jahr 1919 und wurde bei seiner Uraufführung 1920 zum riesigen Kinoerfolg. Als Sensation galt, dass nun die Kunst Einzug in das noch neue Medium Film gehalten hatte. Aus diesen Grunde wurde der deutsche Film der Weimarer Republik weltberühmt und drohte Hollywood den Rang abzulaufen. Es enstanden weitere Meisterwerke wie "Der Golem" (1920, Carl Boese, Paul Wegener), "Nosferatu" (1922, F.W.Murnau) oder "Metropolis" (1927, Fritz Lang). Auch Jahrzehnte später ist der Einfluss dieses Kino-Frühwerks in der Filmgeschichte noch zu spüren - er ist so etwas wie der Archetyp des Psychothrillers, der tief in die Abgründe der Seele blickt und auch lange nicht alle seine Geheimnisse preisgibt. Sogar Martin Scorseses "Shutter Island" dürfte sehr stark von diesem Meisterwerk inspiriert worden sein.
Der Expressionismus selb ist eine den Anfang des 20. Jahrhunderts prägende Kunstrichtung. Durch die Vereinfachung der Formen und den Einsatz von kräftiger, kontrastreicher Farbgebung war es eine Gegenbewegung zum Realismus, Naturalismus und Impressionismus. Im Grunde eine Kunst des gesteigerten Ausdrucks. Die Erben dieser Filme können in den beiden Genres Film Noir und Horrorfilm angesehen werden. Am Ende erscheint die Handlung unwirklich, da sie sich scheinbar als Hirngespinst eines Insassen einer Nervenheilanstalt entpuppt. Doch diese Erklärung steht auf brüchigem Boden, da es offensichtlich ist, dass hier auch Autoritäten attackiert werden und die Figuren des Films Mühe haben mit der eigenen Identität. "Wer bin ich ? " steht allgegenwärtig im Raum und auch die bange Frage, wer das Gegenüber ist.
Siegfried Kracauer zog 1947 in seinem einflussreichen Buch "Von Caligari zu Hitler" eine interessante sozialpsychologische Parallele zwischen dem Filmstoff und dem aufkommenden Nationalsozialismus.  So sieht er in Caligari eine der vielen Tyrannen-Figuren des Weimarer Republik. Die dem Drehbuch von Janowitz und Mayer durch Regisseur Robert Wiene hinzugefügte Rahmenhandlung interpretierte Kracauer als einen Akt politischer Verdrängung, da er die angebliche Intention des Films in sein Gegenteil verkehrt habe. Mit der Umkehrung der Rolle des Wahnsinnigen und des Gesunden sei die Autorität in Form Dr. Caligaris wieder bekräftigt worden. Für den Autor selbst, der die Allmacht der Staatsgewalt anprangern wollte, war Calgari das Symbol einer schrankenlosen Macht - die durch Militärdienstpflicht und Kriegserklärungen über Leben und Tod von Untertanen bestimmen können. Cesare dagegen das Bild des zum willenlosen Werkzeug abgerichtete kleinen Mannes und Francis fungiert als Vertreter der Vernunft und würde zumindest in eine positive Zukunft deuten, wenn da nicht Wienes fieser Widerhaken am Ende wäre, der Rätsel aufgibt.
Auf Grundlage des im Filmarchiv des Bundesarchivs erhaltenen Kameranegativs hat die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung eine digital restaurierte Fassung des Films in einer hochauflösenden 4 K-Version geschaffen. Die digitale Bildrestaurierung führte die in Bologna ansässige L´Immagine Ritrovata - Film Restoration & Conservation in den Jahren 2012 und 2013 aus, der Film erstrahlt somit jetzt in einem großartigem Glanz, wie es ihm auch gebührt.





Bewertung. 10 von 10 Punkten.